Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und verlassen nur ungern unsere gemütliche Komfortzone. Da geht es den Mitarbeiter:innen in den Organisationen nicht anders als dir und mir. Und doch rege ich mich oft auf, wenn ich immer wieder die gleichen Ja-aber`s höre. Mit Argumenten wie „geht nicht, weil…“ oder „ich würde ja gern, aber…“ verhindern wir Wachstum, beruflich wie privat. Auf der anderen Seite braucht es seine Zeit, bis Menschen emotional verinnerlichen, dass die Veränderung nicht nur gut für die Organisation, sondern auch gut für die persönliche Entwicklung ist. In diesem Beitrag schildere ich den Unterschied von rationaler Einsicht und emotionaler Akzeptanz in Veränderungsprozessen und was ich meinen Seminarteilnehmer:innen, meiner Freundin und mir gleichermaßen empfehle.
Veränderungen holen uns stetig aus der Komfortzone
In meinen Seminaren geht es häufig um das Thema Veränderung. Führungs- und Fachkräfte sehen sich in ihren Organisationen mit dem Wandel konfrontiert und möchten ihre Kompetenzen stärken. Auf der sachlichen Ebene ist den Teilnehmer:innen klar, dass Digitalisierung und demografische Entwicklung ein Umdenken erfordern.
An einem bestimmten Punkt bei meinen Impulsreferaten stutzen die Zuhörer:innen allerdings. Ich erläutere die Phasen der Veränderung anhand eines Modells. Ich führe aus, dass Menschen zu Anfang zwar die rationale Einsicht in die notwendigen Maßnahmen der Organisationen haben, jedoch noch weit davon entfernt seien, diese auch emotional zu akzeptieren. Rational bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Menschen einsehen, dass die Veränderung notwendig und wichtig ist. Allerdings ist bei den meisten noch nicht angekommen, dass auch sie selbst sich verändern und einen entscheidenden Beitrag leisten müssen – der Phase der emotionalen Akzeptanz.
Zu Anfang der Veränderung wird die Eigenverantwortung häufig geleugnet
Wenn die Einsicht da ist, es müsse sich etwas ändern und man könne die Veränderung nicht mehr abwenden tauchen Argumente auf wie diese:
- „das ist ja alles ganz wichtig, aber bei uns können wir diese Maßnahme nicht umsetzen, weil…“
- „in der Abteilung haben wir nun alles versucht, um den Anforderungen gerecht zu werden, allerdings funktioniert es bei uns speziell nicht, weil …“
- „ich würde das ja liebend gern machen, aber ich brauche erst dieses und jenes, um überhaupt damit anfangen zu können“
- „dieses neue Projekt xy finde ich richtig gut, ich habe auch schon eine Idee, wie die andere Abteilung einen richtig guten Beitrag leisten könnte“.
Vordergründig tun die Beteiligten alles Nötige, um die Veränderung zu integrieren. Sie informieren die Projektverantwortlichen und bekunden die Wichtigkeit des neuen Projektes. Beflissen bieten sie ihre Unterstützung an, machen sich eigene Gedanken und dann kommt das große „Aber“. Die Eigenverantwortung, das eigene Engagement und das direkte Involviert sein in das Projekt wird (noch) geleugnet.
Ja-Aber-Schleifen erschweren Veränderung und nerven manchmal
Als Trainerin und Coach weiß ich, dass jede Phase der Veränderung wichtig ist. Die ewigen „Ja, aber“-Schleifen nerven mich allerdings manchmal. Bereits als angestellte PR-Referentin verdrehte ich innerlich die Augen, wenn die Kolleg:innen oder Verbandsmitglieder:innen versuchten zu bewahren und das Neue als untauglich zu kritisieren. Es gab dann kein Vorwärtskommen.
Auch im privaten Umfeld kenne ich dieses „geht-nicht, weil…“ Es ist anstrengend immer die gleichen Schein-Argumente und Ausreden zu hören. Allerdings muss ich mir eingestehen, dass diese fehlende Veränderungsbereitschaft mir allzu bekannt vorkommt. Ich selbst tue mich manchmal schwer mit Veränderungen. Ich benötige Sicherheit und Routinen sowie Gewohnheiten erleichtern meinen Arbeitsalltag. Und ich springe nicht gern ins kalte Wasser. Zeit brauche ich, ein bisschen Mut und die Zuversicht, dass alles gut wird.
Verändern sollen sich am liebsten erstmal die Anderen
Und so wie ich eine abwehrende Haltung der guten Freundin gegenüber habe, so wende ich mich mit der gleichen Ablehnung gegen mich selbst. Eine Energie, die ich genauso gut für den Wandel einsetzen könnte. Denn dieser Widerstand und die Ausreden verhindert persönliche Entwicklung. Schon kleine Veränderungen können Unbehagen auslösen, wie es dann erst bei den ganz großen Veränderungen wie neuer Job, neuer Partner, neuer Wohnort? Es ist halt gemütlich in der Komfortzone und verändern sollen sich doch bitte schön erst mal die anderen.
Den Teilnehmer:innen in meinem Veränderungs-Seminar empfehle ich, dem Widerstand Raum zu geben, den Sorgen und Ängsten ihrer Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen zuzuhören und ernst zu nehmen. Bereitschaft zum Dialog, Empathie gepaart mit kleinen Impulsen, Handlungsempfehlungen und konkrete Hilfestellungen sind da genau richtig, um die Beteiligten für die nächste Phase zu motivieren: die Phase der emotionalen Akzeptanz.
Emotionale Akzeptanz führt den Veränderungsprozes ins Tal der Tränen
Hat die emotionale Akzeptanz die Realität erreicht, wird deutlich, dass alles, woran ich bisher in mir geglaubt habe, erstmal ausgeschöpft ist. Dieser Punkt ist sehr schwierig, weil die Einschätzung der eigenen Kompetenz einen Tiefpunkt erreicht hat – dieser Moment wird häufig „das Tal der Tränen“ genannt und ist begleitet durch ein wichtiges Gefühl der Trauer. Zweifel kommen hoch und das Selbstbild doch bis hierher schon alles versucht zu haben, verstärkt diesen kritischen Punkt. Es ist wichtig, diesem Moment Raum zu geben, Traurigkeit und Frust zuzulassen. Allzu verlockend ist es, auszuweichen, das führt allerdings zu mehr Widerstand. Eines ist sicher: Aus diesem Tal gibt es keine Abkürzung und schlimmer wird es nicht. Wenn diese Phase überwunden ist, geht es wieder aufwärts.
Transparenz und Empathie geben Kraft für den weiteren Prozess
Mitarbeiter:innen benötigen in dieser Phase Transparenz über das Warum, Wozu und Wie der Veränderung. Chancen und Risiken und vor allem der Nutzen der Veränderung für die Mitarbeiter:innen sind zu verdeutlichen. Die fragen sich, wo werde ich landen, werde ich das schaffen, finde ich meinen Platz und will ich das überhaupt. Diese Ängste und Sorgen sollten Führungskräfte mit Empathie und Verständnis begegnen. Abschiedsrituale, das Alte würdigen und die Frage, welche Erkenntnisse und Ressourcen möchten wir in die Zukunft „hinüberretten“ sind jetzt hilfreich. Das schafft Klarheit für das (noch) Unbekannte und sammelt Kraft für die weitere Reise.
Sechs Tipps, wie du dich sicher durch den Veränderungsprozess begleiten kannst
Mir und meiner Freundin, die wir uns manchmal auch schwertun mit den Veränderungen in unserem Leben, rate ich:
- Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Wenn etwas noch nicht klar ist, dann ist es noch nicht klar. Hier hilft mir der Spruch: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn du daran ziehst.“ Niemandem ist geholfen, wenn im aufkommenden Aktionismus schnell Entscheidungen getroffen oder Dinge umgesetzt werden, die nach kurzer Zeit hinfällig sind.
- Frag dich, was steckt hinter dieser Ablehnung, welche Bedürfnisse wollen beachtet und erfüllt sein, welche Gefühle und Körperempfindungen begleiten dein Denken, Sehnen und Wollen?
- Erinnere dich, wie bist du zu anderen Zeiten erfolgreich mit Veränderungen umgegangen, welche Talente und Fähigkeiten hast du in deinem Leben schon eingesetzt?
- Richte deinen Blick nach innen, auf Chancen und Risiken, Hindernisse und Grenzen, Vor- und Nachteile. Gehe in den inneren Dialog und gib deine Gedanken nicht zu schnell im Außen preis. Verwurzele dich in dir und gewinne innere Sicherheit und Zuversicht.
- Tausche dich in deiner Peergruppe aus und folge dabei einer Vorgehensweise, die dich in die Selbstreflexion führt – z.B. mit der Methode Reflecting-Team
- Verbinde dich mit der Natur, gehe spazieren, meditiere, lass dich inspirieren, nähre dich und sorge gut für dich. Sei voller Mitgefühl und Güte mit dir selbst.
Fazit
Ausgangspunkt meines Beitrages war die Frage, was mich manchmal aufregt in meinem beruflichen Alltag. Im Prozess des Schreibens ist mir bewusst geworden, welch großen Anteil ich selbst an dieser Aufregung habe und wie sehr ich selbst manchmal Altes bewahren will, auch wenn mich innerlich bereits der Ruf des Wandels erreicht. Menschen brauchen Sicherheit und Abenteuer gleichermaßen. Dem Leben ist der Wandel innewohnend. Wandel geschieht ständig, der Kreislauf der Natur macht es uns vor. Das kann uns gleichzeitig Sicherheit geben: auf die Nacht folgt der Tag und nach dem Winter wird es Frühling. So ist es. Es braucht Mut, sich den eigenen Veränderungen täglich zu stellen. Wir können uns stärken und uns gegenseitig in diesem Prozess unterstützen. Nur die einzelnen Schritte müssen wir selbst gehen.
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