Die Tage schrieb ich einen Rückblick auf 16 Jahre Selbstständigkeit. Ich liebe meinen Job, weil ich meine Aufgaben, Themen und Inhalte selbst gestalten kann und dabei meinem eigenen Rhythmus folge. Struktur und Selbstdisziplin helfen mir dabei im Alltag: ich setzte mir Ziele, treffe Entscheidungen, plane meine Woche, setze mir tägliche To-do`s, lege Termine fest – auch mit mir selbst, sorge für eine ausgewogene Stressbalance und reserviere Zeiten für Kreativität und Inspiration. Besonders wertvoll ist mir die Freiheit und manchmal ist es tatsächlich auch eine Last, mich selbst gut um mich zu kümmern. Ich mache Pausen, wann ich sie benötige, gehe spazieren, wenn der Kopf zu voll ist, mache eine Sporteinheit mit anschließender Sauna, tanze, wenn ich Spannung spüre. Das hört sich alles sehr ideell an. Und doch gibt es auch bei mir Tage, da komme ich nicht aus dem Quark, nervt mich die Eintönigkeit, ärgern mich meine Kunden. Und es gibt Dinge, die ich mich in meinem Job wirklich nerven und die mich manchmal verzweifeln lassen. Darüber schreibe ich in diesem Beitrag.
1. Formalien machen mir Druck
Verordnungen, Gesetze, Verbote und Regeln lauern in Deutschland überall. Bildrechte, Datenschutz, die ordnungsgemäße Buchführung, Scheinselbständigkeit, Krankenkassenstatuten, Einkommenssteuergesetze, Rechtsformen von Geschäftsmodellen, Versicherungsfragen. Ich möchte am liebsten bei allem mit gesundem Menschenverstand diese Themen regeln. Stattdessen macht es mir Druck, wenn ich mich sorge, ob ich alle wichtigen Punkte in der DSGVO auf der Webseite liste, ich mit meinen Tätigkeiten eventuell gegen die Regeln der Künstlersozialkasse verstoße oder ich hoffe, dass ich alles richtig mache bezüglich der Rentenbeiträge und niemand mir auf den Zahn fühlt. Im letzten Jahr wollte ich unbedingt meine Buchführung mit Lexware selbst machen und der Steuerberater sollte mich darin begleiten. Er teilte mir irgendwann mit, entweder, wir machen es in der herkömmlichen Papierform oder ich solle mir einen anderen Steuerberater nehmen.
2. Projekte, die sich schieben und schieben
In dieser Woche erlaubte ich mir einen klärenden Anruf bei meinem Kunden und sagte wortwörtlich ich hätte keine Lust mehr und möchte das Projekt jetzt beenden. Erstaunlicherweise antwortete er fast erleichtert: „Das bin ich ganz bei Ihnen, dass sehe ich auch so!“ Dieses Projekt – eine neue Webseite für mehrere Einrichtungen liegt seit Ende 2019 auf meinem Schreibtisch. Mir ist bewusst, dass diese Tätigkeiten bei den Geschäftsführer:innen immer obendrauf kommen und teils unliebsam sind. Aber geschobene und unerledigte Projekte kosten Zeit, Geld und Energie. Mich nervt die Energie, alles zieht sich wie Kaugummi, es macht mir keine Freude und ich verstehe die Unternehmen dann oft nicht. Sehr wohl kann ich nachvollziehen, wenn Projekte ihre eigene Zeit benötigen – es ist schließlich ein Prozess. Ich weiß das inzwischen, gerade die Alteneinrichtungen haben jede Menge anderer Anforderungen zu erfüllen und da dauert es in der Regel länger als nötig. Und oft hängt es an einzelnen Personen und das macht oft mürbe.
3. Unpersönliche Kundenbeziehungen ohne Wertschätzung
„Vielen Dank für Ihren Text. Bitte schicken Sie die Rechnung an xy.“ – Ein Kunde, der sich selbst ehrenamtlich engagiert, mit dem ich bereits gearbeitet hatte und der sehr zufrieden war, beendet die Zusammenarbeit mit dem o.g. Satz. Ich war perplex. Keine weiteren Worte der Anerkennung oder Wertschätzung. Dabei nahm ich mir immer wieder persönlich Zeit für seine vielen Fragen und gab großzügig meine Expertise. Ein anderes Mal, es ist viele Jahre her, begegnete mir eine Kundin mit Friedhöflichkeit und wies mich nach der Abgabe derart zurecht und machte meine Leistung schlecht, dass ich schier schockiert war. Ich bin froh, dass ich ein Netzwerk habe, indem ich diese „Fälle“ besprechen und beruhigen kann.
4. Auswärtige Seminare
Ich mag es überhaupt nicht, für Seminare in eine andere Stadt fahren oder noch schlimmer, mit Übernachtung. Ich mag es nicht! Ich mag es nicht! Jedes Jahr versuche ich es abzuwenden, nicht immer gelingt es mir. Ich rege mich auf über den Verkehr, die unnötige Fahrerei, das Zurechtfinden im Hotel und den Gegebenheiten vor Ort. Wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren muss, bin ich mega gestresst, weil ich immer Sorge habe, den Anschluss zu verpassen oder mich wegen Ausfällen zu verspäten. Ich kann sagen, ich hasse es! Allerdings, wenn ich dann tatsächlich vor den Teilnehmer:innen stehe, bin ich wieder in meinem Element und alles ist gut.
5. Teilnehmer:innen, die ihre Zeit bei mir absitzen
Es gibt sie immer wieder. Teilnehmer:innen, die in der ersten Runde auf die Frage, was sie hierhergeführt hat, äußern: „Ach, ich will das alles mal auf mich wirken lassen und habe keine besonderen Themen. Ich schaue mal….“ Boahhh!!!! Natürlich wende ich inzwischen Tools und Techniken an, um die Teilnehmer:innen gleich zu Beginn in die Verantwortung zu bewegen. Dennoch begegnet mir diese Haltung immer mal wieder und das stört mich. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Manchmal ist die Teilnahme nicht (ganz) freiwillig – das kann ich dann einordnen. Auf der anderen Seite kann Unsicherheit oder Introvertiertheit eine Rolle spielen. Ich finde, die ganze Gruppenatmosphäre leidet darunter, wenn ein:e Teilnehmer:in keine Beiträge einbringt, sich nur in Floskeln äußert, ansonsten nichts sagt und in den Kleingruppen die anderen arbeiten lässt. Ich habe es auch schon erlebt, dass diese Menschen sich nach dem Seminar sehr kritisch äußern, sie hätten etwas anderes erwartet oder dieses und jenes sei ja schon hinlänglich bekannt, etc. etc. Das ist dann der Punkt, wo ich innerlich koche.
6. Nützliche Internet-Plattformen in englischer Sprache
Ich hadere mit dem Englischen. Ich kann es nicht genug, auch wenn ich dazu schon mal zwei Jahre eine Fortbildung absolvierte. Und ich verzweifle an englischen Gebrauchsanweisungen. Ob es das Theme Avada auf meiner Website ist, detaillierte Erklärungen bei meinem Newsletter oder bei nützlichen Tools, die mir eigentlich den Arbeitsalltag erleichtern sollen. Ich will mich ja reinfuchsen, suche mir auf Youtube jede Menge deutscher Erklärfilme, die alle unendlich Zeit kosten. Oder ich versuche einzelne Abschnitte über Google zu übersetzen, das hört sich dann deutsch noch unverständlicher an. Und dann verstreicht Stunde um Stunde vor dem Bildschirm. Am Ende gebe ich so oft entnervt auf und vertage das Thema. Es kostet mich Zeit und Nerven!
Ich sollte mir öfter selbst zuhören. „Du musst es nicht alleine machen“, ist ein Satz, den ich meinen Klienten häufig empfehle. Ich selbst habe beschlossen, mir Zeiten zu setzen, in denen ich mich selbst mit den Tools beschäftige und dann gebe ich ab. An mein Netzwerk, meine Grafikerin oder eine Expertin.
Fazit
Wenn mich mal wieder etwas so richtig nervt und ich einen Tag lang schlechte Laune habe, dann weiß ich, morgen ist ein neuer Tag. Ich mache mir bewusst, dass ich die Entscheidungen jederzeit selbst treffe und ich selbst verantwortlich bin für die Gestaltung meines beruflichen Alltags. Am Ende sind diese Punkte Kleinigkeiten. Demgegenüber steht, dass ich sehr vieles an meinem Job so sehr liebe.
- Ich habe das Schreiben nur so zum Spaß wieder für mich entdeckt und blogge seit Dezember letzten Jahres. Das beschwingt mich, bringt Klarheit in meine Themen uns stärkt meine Sichtbarkeit.
- Ich genieße die Freiheit, meine Zeit und Aufgaben einzuteilen, wie es mir guttun und in mein Leben passt.
- Es bereichert mich, neue Konzepte für Seminare, Themen und Angebote zu kreieren.
- Mich berühren die Begegnungen mit den Menschen, die für ihre Tätigkeit brennen; ich bin neugierig auf die Geschichten von Mitarbeiter:innen, Ehrenamtler, Auszubildende und schätze das oft unermüdliche Engagement z.B. in der Arbeit mit alten Menschen oder Kindern
- In Seminaren fühle ich mich manchmal wie auf einer Bühne – ein schönes Gefühl. Die Wirkung meiner Impulse zu spüren, die Aha-Erlebnisse in den Augen der Teilnhmer:innen zu erkennen und die Vielfalt an Einstellungen und Werten zu erleben, begeistert mich.
- Persönliche Entwicklung ist mir wichtig. Neues Lernen, Themen erforschen und neue Wege erkunden, das gibt mir Halt. Die weibliche Spiritualität habe ich so für mich entdeckt. Es sind die Frauenkreise, das Thema Weiblichkeit und die Körperarbeit, die mich immer wieder erden, mich mit mir in Kontakt bringen und verbinden mit der Frage, was ist wirklich wichtig.
Ha, da kommt mir allerhand bekannt vor. Das sind Themen, die mich auch immer wieder nerven und die Zeit und Energie kosten. Wie schön, dass du am Ende noch ein paar positive Aspekte nennst.
Liebe Heike, danke fürs Feedback. Erst dachte ich, es fällt mir gar nichts ein und dann ratterte es. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Nervthemen bei Soloselbstständigen ähnlich sind. Und was ist es bei dir, was dich am meisten nervt? LG Michaela