Wie du mit der Tetralemma-Methode Entscheidungsblockaden löst

21 Sep 2023 | Persönliche Entwicklung

Stell dir vor, du stehst vor einer schwierigen Entscheidung, die großen Einfluss auf dein Leben hat: Trennung von der*die Partner*in, Umzug in eine große neue Stadt, Kündigung des Jobs. Ewig kreisen die Gedanken um das Für und Wider. Wir fühlen uns hin- und hergerissen in diesem Dilemma der beiden Positionen, dem Ja oder Nein, dem Entweder-oder. Beides erscheint uns gleich schlimm: beispielsweise sind wir im Job zunehmend unzufrieden und gleichzeitig haben wir große Angst davor, selbst zu kündigen.

Häufig sind wir in der Situation gefangen, können uns schwer lösen aus dieser engen Sichtweise und über den eigenen Tellerrand hinausschauen.

Was, wenn es neben dem einen oder dem anderen noch weitere Optionen gäbe, die wir noch gar nicht bedacht haben, eben weil wir mit dem Denken auch irgendwann an Grenzen stoßen? Wir können uns aus diesem Dilemma lösen, indem wir aus diesem Gegensatz Ja-Nein heraustreten und uns öffnen für weitere Ideen und Möglichkeiten.

Eine hilfreiche Methode ist das Tetralemma, das neben dem Denken andere Informationen wie Gefühle und Körper einbezieht. Auf diese Weise kannst du mit Alternativen spielerisch experimentieren und dich öffnen für Lösungen, die in dir bereits vorhanden sind.

In diesem Blogbeitrag beschreibe ich, was die Tetralemma-Methode ist, wann wir sie anwenden können und erläutere ausführlich die einzelnen Positionen als Selbsthilfe-Anleitung für dich.

Was ist das Tetralemma?

Tetralemma setzt sich im Griechischen aus den Wörtern „tetra“ für Vier und „lemma“ für das Angenommene zusammen.

Ursprünglich stammt die Methode aus der buddhistischen Logik und Philosophie und diente dazu, komplexe Fragen zu untersuchen. In der indischen Rechtsprechung verwandte Richter diesen Ansatz, um verschiedene Standpunkte zu kategorisieren.

Als systematische Strukturaufstellung entwickelten Insa Sparrer und Matthias von Kibéd unter anderen dieses Schema für Coaching, Beratung und Therapie weiter und nannten es „Systemisches Tetralemma“.

Das Tetralemma geht von vier gleichwertigen Standpunkten aus, die im Raum „aufgestellt“ werden, beispielsweise mit Karten auf dem Boden:

  1. Das Eine
  2. Das Andere
  3. Beides
  4. Keins von Beidem

Ergänzt werden diese Standpunkte mit einem 5. Element, als kreativen und visionären Schritt: Dies alles nicht und auch das nicht.

Sich dem Unbekannten öffnen

Ziel der Methode ist es, eine neue Sichtweise einzunehmen, fern vom analytischen rationalem Denken hin zu unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis über das Körperempfinden. Dabei geben die Körperimpulse einen tieferen Zugang zu innerem Wissen und Weisheit. Die Methode eignet sich ebenso gut, um sich aus dem verharrenden linearen Denken zu lösen und sich für das laterale Denken zu öffnen. Dies nennt man auch um-die-Ecke-denken oder Querdenken. Eine Denkmethode, die als Kreativitätstechnik eingesetzt, ungewöhnliche oder noch nicht gedachte Lösungen hervorbringt und insbesondere die Intuition anspricht.

Letztlich will die Methode nicht die Ursache des Problems erforschen, sondern das Dilemma des Entscheidungskonfliktes auflösen.

Dieses Schema ermöglicht nicht nur einen Perspektivwechsel, einen Kompromiss, sucht nach Ressourcen, sondern kann Neues gestalten. Eine Selbsthilfemethode, die davon ausgeht, dass die Antwort auf die inneren Fragen bereits in einem Menschen angelegt, also bereits vorhanden sind.

Ein ideales Tool, um das volle Potenzial deines Wesenskerns zu nutzen, um kraftvolle Entscheidungen zu treffen.

In welchen Situationen ist Tetralemma hilfreich?

Das Tetralemma ist geeignet für jede Art von Entscheidung. Es hilft, die eigene Sichtweise zu erweitern und neue Impulse sowie ungewöhnliche Ideen und Lösungen zu gewinnen. Es kann als Selbsthilfe-Tool angewandt werden, in Coaching und Beratung einzelner Menschen und ebenso in Organisationen und Teams und ist gleichzeitig als Aufstellungsmethode zu verstehen.

Die Methode eignet sich besonders, wenn wir feststecken in der Annahme, es gäbe zu unserer Frage oder Entscheidungssituation nur zwei extrem gegensätzlichen Positionen, Ja oder Nein, Entweder-oder. Wie löse ich das Dilemma? Unser Denken steckt fest in alten, gewohnten Mustern. Es ist in dieser Weise mehr ein Reagieren als ein aktives Handeln.

Anwendungsbeispiele

  • Komplexe Entscheidungen beruflich oder privat
  • Konflikte in Familie, Beruf, Partnerschaft und interkulturell
  • Beruflichen Herausforderungen, die ohne Lösung scheinen
  • Organisationsentwicklung und bei Veränderungsprozessen
  • Persönlichen Entwicklung, auf der Suche nach Wachstum und Wandel
  • Gesprächs- und Reflexionsleitfaden
  • Lösen von Entscheidung- und Gedankenblockaden

Beschreibung der Tetralemma-Methode mit den einzelnen Schritten

In der Anwendung benötigt die Methode nicht viel an Vorbereitung. In der Haltung allerdings braucht es eine gewisse Offenheit und Flexibilität für verschiedene Standpunkte, ungewöhnliche Perspektiven und Akzeptanz von Unsicherheit. Du solltest dir eine Stunde Zeit nehmen.

  • Es ist wichtig, sich ungestörte Zeit zu nehmen und einen Raum zu wählen, indem ein wenig Platz für die Aufstellung ist.
  • Die Positionen können mit Karten auf dem Boden, Stühlen oder Figuren aufgestellt werden.
  • Bequeme Kleidung sorgt für genug Bewegungsfreiheit und ermöglicht eine präsente Körperwahrnehmung
  • Beschreiben der Ausgangssituation: Was ist die Frage, das Problem, die Entscheidung? Benenne das Dilemma mit seinen beiden Optionen.
  • Mit der Selbstverpflichtung: „Ich begrüße, was da ist“ eröffnen wir den Raum für Neues.
  • Zur Einstimmung hilft eine Achtsamkeits- oder Atemübung oder eine kleine Meditation.

Der Ablauf

Du stellst dich auf die erste Position, spürst im Körper nach und erforsche mit allen Sinnen: Welche Empfindungen, Gefühle, Körpersignale tauchen auf. Welche Bilder entstehen, was sagt dir diese Postion, welche Sätze formuliert sie.

Im Anschluss gehst du zur zweiten Position mit den gleichen Vorgaben und so weiter.

Position #1 – Das Eine

Dies könnte ein Lösungsgedanke oder Sichtweise sein, der dir ganz klar und als einzig richtige erscheinen mag. Vielleicht kennst du diese Weise aus der Vergangenheit und erinnerst dich, dass dir diese Haltung auch schon gut geholfen hat. Du hast bereits gute Erfahrungen gemacht. Eine Position, die du kennst und mit der du dich evtl. gut arrangiert hast. So siehst du das, auch wenn andere das anders sehen mögen!

Postion #2 – Das Andere

Dieses Element steht dem ersten Element schräg gegenüber. „Das Andere“ steht im Gegensatz zu „Das Eine“ oder ist eine echte Alternative, die wirklich etwas Anderes bedeuten würde.

Beispiel: Das Eine, ich kündige den Job oder das Andere, ich kaufe mir ein neues Auto – ist keine wirkliche Alternative, sondern ein Vermeiden von Entscheidungen. Das Andere könnte sein, ich reduziere meine Vollzeitstelle in eine 20-Stunden-Stelle.

Position #3 – Beides

Nun kommt etwas Neues rechts neben der 2. Position hinzu. Eine Art beobachtende Position aus der Situation aussteigt. Auf der Metaebene betrachten wir das Eine und das Andere und nehmen das Dilemma in den Blick. Hier bewertest du für dich und benennst Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Es stellt sich für dich die Frage: Muss ich mich eigentlich zwischen A und B entscheiden? Dieses Element eröffnet erstmal den Raum und kann erste Ideen für eine Lösung sichtbar machen.

Auch hier ist es wichtig, nachzuspüren und zu assoziieren, das Tor zur Körperwahrnehmung. Was ist dein erster Gedanke, sprich es aus. Was noch? Erlaube dir alle Gedanken und Gefühle, die auftauchen, auch wenn sie dich zunächst verunsichern. Sobald du eine Empfindung im Körper spürst, gib Raum und führe deinen Atem dorthin. Wie fühlt es sich an, was taucht auf? Wo gibt es Widerstand, wo fühlt es sich wohlig an?

Vertiefende Fragen zur Anregung

  • Was könnte in beiden Positionen Sinn ergeben. Wie lässt sich das scheinbar Gegensätzliche versöhnen?
  • Was könnte in dieser Situation das Richtige sein? (Und nächstes Mal ist es das andere)
  • Ist das Andere eine echte Alternative oder nur ein Ausweichen?
  • Was ist der Nutzen des Einen/Anderen?
  • Falls ich das Eine/Andere nicht wähle, inwiefern ist das aktuell ein guter Schutz meines inneren Regulationssystems?
  • Wie kann ich lohnende Aspekte der Idee, die kraftvolle Energie des Nicht gewählten dennoch integrieren?

 Position #4 – Keines von Beidem

In dieser Position fragen wir danach, warum wir keine Entscheidung treffen können. Wir erweitern unser Blickfeld, nehmen eine externe Rolle ein und forschen nach Bedeutung, Zusammenhängen, Hintergründen, Motiven. Was liegt hinter dem Dilemma und wozu ist es entstanden?

  • Welche Werte, Bedürfnisse oder Motive stehen hinter dem Einen/Anderen/Beidem?
  • Warum stehst du überhaupt vor dieser Entscheidungsfrage oder dem Problem? Wer ist noch daran beteiligt oder hat ein Interesse an der Lösung? Wie würde dein soziales Umfeld die Situation betrachten oder bewerten?
  • Welche Ressourcen hast du, was hat dir schon mal in ähnlichen Situationen geholfen?

An dieser Stelle sei angemerkt, dass es in Ordnung ist, wenn du dich nicht entscheidest. Es ist deine Verantwortung! Es kann viele Gründe geben, warum es uns schwerfällt, Entscheidungen zu treffen. Hilfreich ist es dennoch zu reflektieren, warum das so ist und sich gleichzeitig bewusst zu machen, dass das Leben oder andere dann eventuell entscheiden. Manchmal so, wie es dir nicht gefällt oder nicht guttut.

Wenn wir uns grundsätzlich für den Prozess öffnen und die vierte Position als spannend erleben, dann kann etwa entstehen, dass als Lösung des Problems ganz woanders liegt.

Position #5 – All dies nicht und selbst das nicht!

Die systemischen Forscher Sparrer und Kibéd haben das ursprüngliche Tetralemma-Schema weiterentwickeln und eine fünfte Position hinzugefügt. Hier gehst du in die Distanz außerhalb der Frage und löst dich von den vier vorhergehenden Positionen sowie dem Konflikt mit der Einsicht, dass „all dies nicht“ das Problem nicht umfassend klärt und löst.

Diese Position hat einen starken Aufforderungscharakter, immer wieder alte Muster zu durchbrechen und sich in das große Feld des Nicht-Wissens zu begeben. Mit „und selbst das nicht“ ist gemeint, dass auch dies kein endgültiger Standpunkt ist und alles ebenso wieder infrage stellen kann. Es ist ein radikal kreativer Schritt in das Ungewisse jenseits der Entscheidung. Das kann etwas ganz verrücktes aus dem Impuls heraus sein. Mich erinnert das an den spirituellen Aspekt „Leben ist Wandel“ und der Auflösung der Dualität.

Wir fragen nach Visionen, Träumen, Utopien, Ziele. Hier kann das neue Eine oder das neue Andere entstehen. Eine Offenheit in alle Richtungen.

Hilfreiche Fragen

  • Worum geht es eigentlich? Was erlaube ich mir nicht zu denken? Wo mache ich mich klein?
  • Gibt es Hindernisse, die ich noch gar nicht ausgesprochen habe und die mich an alte Verhaltensmuster erinnern?
  • Um was geht es noch und was hat vielleicht gar nichts mit der Fragestellung zu tun?
  • Was würde ich tun, wenn es kein Risiko gäbe und alle für mich wichtigen Ressourcen vorhanden sind?

Bleibe auch in dieser Position bei deinen Körperempfindungen: Spürst du Energie, Freude, Neugierde oder Druck, Angst. Gib deinem Empfinden Ausdruck oder lass es sprechen.

Abschluss

Diese emotionale Arbeit kann sehr anstrengend sein. Sorge gut für dich, gerade wenn du diese Methode allein durchführst. Schließe bewusst die Übung ab, tritt ganz heraus, außerhalb der Positionen. Gibt es etwas sehr Wesentliches, dass du nicht vergessen möchtest, schreibe es auf. Und dann, wenn möglich, lass alles stehen und liegen und geh raus an die frische Luft, mache einen Spaziergang, bewege dich oder mache etwas ganz anderes wie Spülen, Wäsche aufhängen oder kochen. Erst danach schreibe all deine Erkenntnisse auf und frage dich zum Abschluss:

  • Was war ein ganz neuer Aspekt für mich?
  • Was sind die nächsten Schritte?
  • Was werde ich gleich morgen tun, um an der Lösung dranzubleiben?
  • Wie kann ich mich selbst dabei unterstützen, wer oder was kann mir noch dabei helfen?
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