6 Fehler, die ich in meiner Selbstständigkeit machte und was ich daraus gelernt habe

22 Okt 2021 | Persönliches über mich

Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen. Fehler zu machen ist menschlich, sie gehören zum Leben dazu. Eine Fehlerkultur nimmt den Druck raus: Menschen, die Fehler machen dürfen, sind kreativer. Ein offener Umgang mit Fehlern lässt dich wachsen. Wikipedia schreibt dazu: „Als menschlichen Fehler bezeichnet man Fehler, die ein Mensch durch sein Handeln (Fehlbedienung) bzw. Nichthandeln oder durch seinen körperlich-geistigen Zustand zu verantworten hat. Fehlverhalten kann sowohl wissentlich als auch unwissentlich begangen werden.“ Ich schreibe in diesem Blogbeitrag über meine Fehler, die ich in meiner Selbstständigkeit gemacht und was ich daraus gelernt habe.

Fehler #1 – Ich habe den Sprung in meine Selbständigkeit erst sehr spät gewagt

Vor 16 Jahren bin ich in die Selbstständigkeit gegangen. Und das habe ich einem Glaubenssatz von mir zu verdanken. „Ich bin zu alt für den Markt.“ Dieser Gedanke breitete sich in mir aus, als ich erfuhr, dass sich auf die Stelle auf die ich mich beworben hatte, außer mir auch 600 weitere Kandidaten ihre Bewerbung eingereicht haben. Ich war überzeugt, mir bliebe nichts Anderes übrig, als mich selbstständig zu machen.

Darüber war ich zu Beginn gar nicht glücklich. Doch dann las ich von meinen Träumen in alten Tagebüchern und da stand es schwarz auf weiß: „Mache dich selbstständig.“ Nach und nach bekräftigte sich dieser Wunsch und mir wurde ebenso deutlich, dass ich in den letzten Jahren auf keiner Arbeitsstelle wirklich rundum zufrieden war. Ich hatte immer das Gefühl, ich bringe mich nur mit angezogener Handbremse in die Projekte ein und keiner interessiert sich wirklich für das, was ich kann.

16 Jahre und ganz langsam bewege ich mich Richtung Ruhestand. Soll nicht heißen, dass ich nicht weiter Entwicklung, Wachstum und Vertiefung sowie Lernfelder suche. Doch ich starte nicht mehr meine „Karriere“, wie das vielleicht andere Frauen tun, wenn sie mit 40 nochmal durchstarten. Es war ein Fehler, dass ich solange in den Arbeitsstellen ausgeharrt habe, wenig gelernt und noch weniger Engagement gespürt habe. Ich hätte mich schon gut und gerne 10, 15 Jahre eher auf eigene Beine stellen sollen. Auf die Nase wäre ich genauso oft gefallen, aber ich hätte es für mich gemacht und wäre stetig daran gewachsen.

Mein Lernfeld

Ich lernte und lerne daraus, auf keinen Fall mit einem Impuls, einem Wunsch, einem Traum zu warten, sondern genau in diesem Moment damit zu beginnen und gleich morgen den ersten Schritt zu wagen. Das bedeutet nicht, dass ich fahrlässig ohne Realitätscheck Projekte ins Leben bringe. Aber ich bin heute eher bereit, genau zu prüfen, ist das wirklich wirklich wichtig für mich und mich bei einem “Ja” im Herzen auch zu engagieren.

Fehler #2 – Ich habe als Coach Langzeitarbeitslose auf den Arbeitsmarkt vermittelt

Nach meiner Coaching-Ausbildung zu Anfang meiner Selbstständigkeit bekam ich ein tolles Angebot einer Weiterbildungseinrichtung. Es war schlecht bezahlt, aber ich brauchte das Geld, um meine Existenz zu Beginn zu sichern und so nahm ich an. Die geringe Bezahlung konnte ich durch eine verlässliche Stundenanzahl die Woche gut für mich annehmen; außerdem war ich froh in die praktische Arbeit zu kommen, mich auszuprobieren und zu lernen.

Ich betreute eine Klasse von 20 Langzeitarbeitslosen. Eine bunte Mischung aus Biografien: da saß der junge Mann mit Drogenerfahrung neben dem 50-jährigen Biologen, der nach seinem Studium noch nie gearbeitet hatte, der Mutter von 3 kleinen Kindern, die atemlos zwischen ihren Aufgaben hin- und her hechelte, der obdachlosen Frau mittleren Alters, die auch während der Weiterbildung unter der Brücke schlief, dem schüchternen und sehr intelligenten Mann, der kaum ein Wort sagte.

Coaching mit Druck fördert Angst bei mir und den Teilnehmer:innen

Ich war so naiv. Ich ließ mich hineingleiten in die Helferrolle, war überzeugt mit den richtigen Instrumenten, Interventionen konnte die Vermittlung gelingen. So war es nicht. Am Anfang machten alle wunderbar mit, ließen sich aufgeschlossen auf die Übungen ein. Doch die Bildungsmaßnahme hatte ein Ziel, einen zeitlichen Rahmen und vor allem war sie strickt an eine Erfolgsquote gebunden. Immer öfter wurde mir gesagt, ich müsse mehr an der Vermittlung arbeiten, die Menschen in Praktika vermitteln, zu verbindlichen Bewerbungsgesprächen motivieren. Da tauschte die Angst auf. Die Angst in mir, dass ich es nicht schaffe, dass ich mich und meine Coaching-Haltung immer mehr verliere und dass ich die Quote nicht schaffe. Und Angst bei den Teilnehmer:innen, die hautnah das berufliche Leben in voller Realität erfuhren, die dem Druck nicht standhalten konnten und mit Widerstand reagierten.

Nach knapp einem Jahr gab ich auf. Ich konnte es nicht mehr mit ansehen. Ich fand die Maßnahme falsch. Bei bundesweiten Ausschreibungen bekamen die Maßnahmen wenig Gelder und waren gleichzeitig einem Konkurrenzdruck ausgesetzt. Einzelcoaching wäre hilfreicher gewesen oder kleine Gruppen ohne Druck. Ich habe mich auch geschämt für mein Verhalten, konnte längere Zeit nicht gut schlafen, ging immer häufiger bedrückt zur Arbeit. Ich war nicht integer, habe meine Werte, meine Haltung verraten. Ich hätte das so nicht machen dürfen und schwor mir, dass mir das nie wieder passiert.

Mein Lernfeld

Ich habe dadurch einmal mehr gelernt, dass Freiwilligkeit, Vertrauen und grundsätzliche Selbstmanagementkompetenzen die Basis für jeden Coaching-Prozess sind. Und: Nicht jeder der sich Coach nennt, ist in der Lage zu coachen. Und: Wenn auf dem Paket Coaching steht, heißt das noch lange nicht, dass auch Coaching drin ist. Nach diesen Erfahrungen bot ich ehrenamtlich meine Dienstleistung als Coach an. In der Initiative Arbeit durch Management/Patenmodell unterstützte ich viele Jahre Arbeitssuchende darin, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder nach dem Studium den Einstieg ins Berufsleben. In reiner Form, wie ich es in meiner Coaching-Ausbildung bei Christopher Rauen gelernt hatte, war auch das kein Coaching. Aber es war eine sinnvolle Tätigkeit mit Menschen, die freiwillig diese Hilfe aufsuchten. Ich habe sehr viel von diesen Schicksalen gelernt.

Fehler #3 – Ich habe mit der PR und Öffentlichkeitsarbeit alles irgendwie gemacht, was auf meinem Schreibtisch landete

Bei meiner letzten Öffentlichkeitsreferenten-Stelle bei zwei Verbänden erlebte ich, dass alles, was sich nicht in bestimmte Bereiche zuordnen ließ, automatisch auf meinem Schreibtisch landete. Pressetexte schreiben war da noch am Eindeutigsten. Hinzu kamen, Broschüren, Flyer, Zeitungen layouten, Werbematerialien ausdenken und gestalten, Seminare für Ehrenamtliche anbieten – wie gestalte ich einen Flyer für meinen Verein und vieles mehr.

So ging ich in die Selbstständigkeit mit der gleichen Haltung. Ich mache alles und ich kann alles. Und falls nicht, lerne ich es. Damals arbeitete ich mit PageMaker, später mit Indesign. Versuch und Irrtum – so tastete ich mich heran. Onlineforen, Google und Erklärvideos standen mir noch nicht zur Verfügung. Natürlich sah ich den Unterschied, wenn Agenturen mit ihren Grafikern tolle Broschüren veröffentlichten. Ich dachte, der Kunde möchte es, der Kunde bekommt es. Das war wirklich Mist. Die Rückmeldungen waren immer in Ordnung, aber ich selbst hatte immer das Gefühl, nicht zu genügen. Eine Kundin brachte es mal auf den Punkt. Ich sollte die Mitarbeiter anleiten, selbst einen Flyer zu gestalten, was nicht funktionierte. Praktisch denkend bot ich an, selbst eine Vorlage zu erstellen. Die Kundin war erbost und meinte, da hätte sie besser einen Grafiker beauftragt.

Mein Lernfeld

Seitdem schwor ich mir, nie wieder in fremden Gewässern zu fischen und grafische Leistungen anzubieten. Heute arbeite ich immer mit Agenturen zusammen oder mit meiner langjährigen Grafikerin Elke Strachalla. Das Ergebnis ist super und professionell. Dennoch habe ich viel gelernt, das kommt mir heute bei der Leitung von Medienprojekten zu Gute.

Fehler #4 – Ich hätte mich früher wagen sollen, mit dem Bloggen anzufangen

Ich schreibe schon seit meiner Jugend. Fülle unzählige Notiz-, Ideen-, Konzept-, Wissens- und Tagebücher. Für meine Kunden schreibe ich Texte für Webseiten, Broschüren, Flyer, Magazine u.a. Dennoch fiel mir das Schreiben oft schwer. Ich recherchierte, ließ mich von anderen Texten inspirieren und brauchte lange, bis ich im Schreib-Flow war. Darüber hinaus hatte ich immer den tiefen Glaubenssatz, ich könne nicht schreiben. Natürlich machte ich entsprechende Erfahrungen, die ich dann über Jahrzehnte mit mir rumschleppte: Zu Anfang meiner Berufstätigkeit übernahm ich als Referentin eine Erziehungsvertretungsstelle in einem Presseamt. Ohne Einarbeitung sollte ich von heute auf morgen Pressetexte schreiben und Pressetermine wahrnehmen. Ich war total überfordert. Außerdem war die Stimmung in der gesamten Abteilung total düster und schwer. Nach sechs Wochen bat mich mein Chef zu sich und teilte mir mit, ich könne nicht schreiben. Das war ein Schlag ins Gesicht, von dem ich mich lange nicht erholte und der unterschwellig immer präsent war.

Mein Lernfeld

Im letzten Jahr lernte ich Judith von Sympatexter kennen und verbloggte mit ihr meinen Jahresrückblog 2020. Seither verblogge ich jede Woche einen Beitrag, poste in zahlreichen sozialen Medien. Mein Motto: Sichtbarkeit. Einziges Ziel für mich in diesem Jahr ist es, alles zu verbloggen, woran ich Freude habe. Ich zeige mich mit all meinem Geschreibe in der Öffentlichkeit. Es braucht keiner Strategie zu folgen, keinen tieferen Sinn zu haben, außer, dass es mich erfüllt. Ich habe in diesem Jahr so viel über das Schreiben gelernt, was ich im ganzen Studium nicht mal im Ansatz gelernt habe. Ich bin dafür unendlich dankbar und denke, ich hätte schon viel eher damit anfangen sollen. Einfach so. Weil ich will und kann.

Fehler #5 – Ich hätte statt meines Studiums der Kommunikationswissenschaften lieber eine praktische Ausbildung machen sollen

Ich habe auf dem 2. Bildungsweg mein Abi nachgemacht und anschließend studiert: Kommunikationswissenschaften, Psychologie, erst Germanistik und später als drittes Fach Politik. Kommunikationswissenschaften war mein Hauptfach mit dem Schwerpunkt „Journalismus“. Nebenher arbeitete ich für Lokalzeitungen, um das Schreiben als Handwerk zu lernen. Ich war alleinerziehend, hatte Nebenjobs und absolvierte Praktika für das Studium. Sofort zu Anfang entschied ich deshalb, keine Vorlesungen zu besuchen. Es wurde nicht kontrolliert und brachte mir rein gar nichts. Das Studium war sehr theoretisch angelegt, ein einziges Praxissemester in Recherche absolvierte ich, weil ich den Dozenten Michael Haller spannend fand. Insgesamt habe ich absolut nichts gelernt im Studium. Mein Motto: „Vier gewinnt!“ – soll heißen, diese Note reichte mir für den Abschluss, den ich fast in der Regelstudienzeit erreichte.

Nie hat mich jemand nach meinem Abschluss gefragt. Mein Studium war wirklich total nutzlos, außer, dass ich mit diesem Was-bin-ich-Schein den Eintritt ins Berufsleben in der Tasche hatte. Ich hätte besser ein Darlehn aufgenommen und eine praktische Journalistenausbildung gemacht. Allerdings hatte ich in jungen Jahren nicht den Mut dazu.

Mein Lernfeld

Mehr Schein als Sein – es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das lernte ich daraus. Vertraue deiner Intuition, finde deinen eigenen Weg, suche dir Verbündete und Unterstützer.

Fehler #6 – Statt zu zögern, zu zaudern und zu zweifeln hätte ich eher meine Gaben mit Mut in die Welt bringen sollen

In meinem Leben habe ich zu oft an meinen Fähigkeiten, Leistungen und Erfolgen gezweifelt. Zu oft meinte ich, noch dieses oder jenes vorher tun, erlangen, erfahren, konzeptioniert oder gelernt haben zu müssen. Um dann endlich das zu tun, was ich mir wünschte. Dadurch schob ich mein Vorhaben noch weiter hinaus, weil es ja noch nicht perfekt war. Und wenn ich Lob und Anerkennung erhielt, dann war ich überzeugt, die Feedbackgeber können das gar nicht beurteilen oder sagen das nur so, weil es sich so gehört. Nicht selten gab ich die Projekte, nach denen ich mich sehnte, am Ende einfach auf. Es gibt sogar einen Begriff dafür: Impostor-Phänomen. Jahrelang habe ich an mir gearbeitet. Manches Mal denke ich wehmütig, wenn ich mich eher getraut, eher an mir geglaubt hätte, wäre ich jetzt weiter, schneller, höher…

Mein Lernfeld? Lies mein Fazit!

Fazit: Hätte, hätte, Fahrradkette …

Mir fiel dieser Blogbeitrag sehr schwer. Mit meinem Liebsten diskutierte ich darüber, was ist eigentlich ein Fehler? Wer bestimmt darüber, was falsch und was richtig ist? Wer einen Fehler gemacht hat, fühlt sich schuldig, klein und schwach. Was wäre denn, wenn ich diese angeblichen Fehler in meiner Selbstständigkeit nicht gemacht hätte? Wäre ich dann reicher, schneller, schöner, erfolgreicher? Mich erinnert das an den Spruch: „Hätte, hätte, Fahrradkette …“ Wenn ich davon ausgehe, dass ich Fehler gemacht habe, führt das zu emotionalen Verstrickungen. Ich richte mich in der Opferrolle ein. Um meinen Selbstwert zu retten, mache ich andere oder die Umstände verantwortlich. Ich entwickle ein permanent schlechtes Gewissen und verharre im Nicht-Handeln, aus Angst noch mehr Fehler zu machen.

Ich sehe die beschriebenen Fehler nicht als Fehler. Ich bin überzeugt davon, dass es genauso gut und richtig war, den Weg so zu gehen, wie er sich für mich gezeigt hat. Ich habe in allem unglaublich viel gelernt. Es musste so sein, da gab es keine Abkürzung. Bereits in meinem Blogartikel an mein jüngeres Ich habe einige Empfehlungen gegeben, wie der Weg leichter gewesen wäre. Aber auch diese Zeit kann ich nicht zurückdrehen.

Ich bin heute unendlich dankbar, dass ich mich mit diesen Fragen beschäftigen darf, dass ich mich unendlich reich an Erfahrungen fühle, dass ich mein Selbst mehr und mehr umarme und anerkenne. Am Ende meines Fehler-Artikels wird mir bewusst, dass es an mir liegt, mein Leben zu bewerten. Für mich sind es Lernchancen, Erkenntnisse und wertvolle Erfahrungen.

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Michaela Arlinghaus
Bloggen – meine neue Leidenschaft

In diesem Blog findest du wöchentlich neue Themen aus meinem beruflichen Alltag.

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