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Die Themen Gleichberechtigung und Feminismus sind heute wichtiger denn je. Frauen kämpfen seit Jahrzehnten für ihre Rechte und für eine gerechtere Gesellschaft, doch trotz vieler Fortschritte gibt es immer noch viel zu tun. Es ist notwendig, das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen und ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen zu entwickeln, mit denen Frauen täglich konfrontiert sind. Dabei geht es vor allem darum, die verschiedenen Facetten von Feminismus in den Blick zu nehmen und sich auf die Befreiung von Ungerechtigkeit aller Menschen dabei zu konzentrieren. Rassismus, Sexismus, Patriarchat, Kapitalismus sind dabei nicht nur Randerscheinungen. Für mich selbst ist dies auch ein Prozess, dem ich mich jetzt seit einigen Jahren stelle. Ich habe unzählige Bücher gelesen, Podcasts gehört und Dokumentationen geschaut. In diesem Blogartikel stelle ich dir einige empfehlenswerte Bücher und Podcasts vor, die sich mit Gleichberechtigung und Feminismus beschäftigen. Lass dich inspirieren!
Tipp #1 – Linda Scott: Das weibliche Kapital
Mein erstes Buch, dass ich überhaupt in dieser Richtung gelesen habe. Linda Scott zeigt in zahlreichen Beispielen aus aller Welt, dass Gleichberechtigung kein Luxusproblem des Westens ist, sondern einhergeht mit einer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich und internationale Relevanz hat. Sie zeigt und argumentiert mit Fakten, Daten und Zahlen, dass Frauen ein wesentliches und unübersehbares Kapital darstellen und für den wirtschaftlichen Erfolg unerlässlich sind. Sie führt aus, dass Frauen durch Diskriminierung daran gehindert werden, ihr volles Potenzial einzubringen, obwohl die Unternehmen, die Gesellschaft und die Regierungen davon profitieren würden. Nach ihrer Untersuchung ist sie der Auffassung, dass die Einbeziehung von Frauen sich nicht nur ihre eigene wirtschaftliche Lage und ihrer Familien verbessern, sondern auch das gesamte Wirtschaftssystem stabiler würde.
Linda Scott ist emeritierte Professorin für Entrepreneurship und Innovation an der Universität Oxford und forscht seit vielen Jahren zur wirtschaftlichen Rolle der Frauen (XX-Ökonomie), rund um den Globus.
Frauen wirtschaftlich stärken
In vieler Hinsicht ein interessantes Buch nimmt es doch Frauen wirtschaftlich als Ressource in den Blick. Ich war sehr beeindruckt, welche Auswirkungen es weltweit hat, wenn Frauen nicht mitgedacht werden. Auch liefert Scott gute Ideen, um Frauen wirtschaftlich zu stärken, sie aus ihren prekären, teils gewaltvollen Abhängigkeiten herauszuholen und sie für ihre Jobs anständig zu bezahlen. Ein sehr gut recherchiertes Buch zum Stichwort „Gleichberechtigung“. Ich kann das Buch wirklich empfehlen, weil es zahlreiche Beispiele aus dem Alltag von Frauen aus der ganzen Welt sehr anschaulich zeigt. Eine unglaubliche Fülle an Quellen. Allerdings sind es aus meiner Sicht Empfehlungen für einen „besseren“ Kapitalismus und sie beschränkt sich auf eine binäre Weltsicht. Dies wurde mir allerdings erst klar, nachdem ich tiefer in das Thema Feminismus und seinen zahlreichen Facetten eingetaucht bin.
Tipp #2 – Emilia Roig: Why we matter
Emilia Roigs Buch “Why We Matter. Das Ende der Unterdrückung“ behandelt das Thema struktureller Ungleichheit und Diskriminierung in unserer Gesellschaft. Sie betont, dass Identitätsmerkmale wie Rasse, Geschlecht und Sexualität die Chancen und Erfahrungen marginalisierter Gruppen beeinflussen und dass die Berücksichtigung von Intersectionality notwendig ist. Roig fordert eine tiefere Auseinandersetzung mit den strukturellen Barrieren in unserer Gesellschaft und betont, dass wahre Vielfalt und Inklusion nur erreicht werden könne, wenn diese Barrieren abgebaut würden. Zudem unterstreicht sie, dass Schweigen gegenüber Ungerechtigkeit diese perpetuiert und dass kollektives Handeln notwendig ist, um Privilegien als systemisches Problem zu lösen. Das Buch bietet wichtige Einsichten und fordert dazu auf, sich aktiv für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen.
Emilia Roig ist Gründerin und Direktorin des Center for Intersectional Justice (CIJ) in Berlin und lehrte in Deutschland, Frankreich und den USA Intersektionalität, Critical Race Theory und Postkoloniale Studien sowie Völkerrecht und Europarecht.
Ein Ende der Unterdrückung fordert das Ende des Kapitalismus
Mich beeindruckte vor allem ein Aspekt in ihrem Buch: Erst das Ende des Kapitalismus würde soziale Ungerechtigkeit, die durch Lohnarbeit verursacht wird, beenden. Und somit auch das Patriarchat stürzen sowie Hierarchien aufbrechen und jegliche Art von Unterdrückung und die damit einhergehenden Traumata heilen. Außerdem las ich zum ersten Mal von einer Bewegung und der Frage, wie die Gesellschaft funktionieren könnte, wenn wir Polizei und Gefängnisse abschaffen würden – eine gesamtgesellschaftliche Vision und gewagte These. In Norwegen findet die Bewegung Vorbilder. Dort konzentriert man sich auf Rehabilitation, was zu einer weltweit niedrigsten Rückfallquote und Kriminalitätsrate führt. Ein sehr spannendes und erhellendes Buch, absolut empfehlenswert. Emilia Roig deckt unglaublich viele Muster aus Medien, Universitäten und Schulen, in Krankenhäusern, auf der Straße, im Gerichtssaal und bei der Arbeit.
Weitere Empfehlungen
- Aktuell (März 2023) hat sie ein weiteres Buch geschrieben: Das Ende der Ehe. Für eine Revolution der Liebe I Feministische Impulse für die Abschaffung einer patriarchalen Institution. Es steht ganz oben auf meiner Wunschliste. Ein Buch, auf das ich sehr gespannt bin. Mit dem #dasendederehe und bei @emiliazenzile kannst du auf Instagram einige Videos und Interviews zum Buch sehen.
- Im Role Models Podcastspricht Emilia über ihr Buch sowie über ihre Befreiung, Empathielücken und spirituelles Erwachen.
Tipp #3 – Rafia Zakaria: Against white feminism
Rafia Zakaria übt in ihrem Buch „Against white feminism: Wie „weißer“ Feminismus Gleichberechtigung verhindert“ scharfe Kritik an der Art und Weise, wie der Feminismus von privilegierten weißen Frauen dominiert wird und wie dies dazu führt, dass marginalisierte Frauen, insbesondere Frauen of Color, ausgeschlossen werden. Zakaria argumentiert, dass der weiße Feminismus nicht nur unempfindlich gegenüber den Problemen von Frauen anderer Ethnien sei, sondern auch aktiv dazu beitrage, die Fortschritte bei der Gleichstellung zu verlangsamen oder zu verhindern. Sie beschreibt detailliert die Geschichte des weißen Feminismus und die Art und Weise, wie er sich auf Kosten von Frauen of Color entwickelt hat. Es werden auch konkrete Beispiele von weißen feministischen Bewegungen, Organisationen und bestimmten Persönlichkeiten angeführt, die den Rassismus ignorieren und sogar fördern.
Rafia Zakaria ist Autorin, Anwältin und Aktivistin. Sie setzt sich weltweit für Menschenrechte ein. Von 2009 bis 2014 war sie Teil des Aufsichtsrates von Amnesty International USA. Zakaria wuchs in Karatschi auf und lebt heute in Pakistan und den USA.
Konsequent eine inklusive feministische Bewegung aufbauen
Mich hat das Buch zunächst verstört. In mir bildet sich ja gerade erst ganz zaghaft ein feministisches Selbstverständnis. Mit diesem Buch wird mir einmal mehr vor Augen geführt, dass wir weiße Frauen nicht nur privilegiert sind, sondern unsere rassistischen Prägungen mindestens unbewusst ebenso als Feministinnen fortführen. Rafia Zakaria kritisierte namhafte Feministinnen, sogar Simone de Beauvoir, die ein großes Vorbild in der Frauenbewegung für mich ist. Ich hoffte beim Lesen inständig, dass es eine Lösung geben würde und bin am Ende versöhnt. Es ist ein sehr wichtiges Buch und eine notwendige Kritik an den aktuellen Tendenzen im Feminismus. Zakaria bietet Lösungen an, um eine gemeinsame inklusive feministische Bewegung aufzubauen und sich konsequent für Frauen aller Hintergründe einzusetzen sowie Women of Colour gezielt eine stärkere Stimme zu geben.
Im Podcast “Die Leserinnen” sprechen Barbara Mayer und Christina Häusler über das Buch und was sie daraus gelernt haben. Und mit diesem Unconscious Bias Test kannst du deine unbewussten Vorurteile testen.
Tipp #4 – Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen
Caroline Criado-Perez untersucht in ihrem Buch „Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert“ die systematische Ausgrenzung von Frauen und zeigt, wie Frauen in der Welt der Daten, der Stadtplanung, der Medizin, der Arbeitswelt und der öffentlichen Wahrnehmung unsichtbar gemacht werden. Die Autorin zeigt auf, dass die meisten Daten, die heute genutzt werden, auf Männer ausgerichtet sind und dass Frauen in vielen Aspekten des öffentlichen Lebens ignoriert werden. Beispiele dafür sind Medikamentenstudien, die fast ausschließlich an Männern durchgeführt werden, und eine Stadtplanung, die oft nicht berücksichtigt, wie Frauen den öffentlichen Raum nutzen. Das Buch gibt ebenso Einblicke in die Auswirkungen der Geschlechterungleichheit auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen.
Caroline Criado Perez ist Autorin und Rundfunkjournalistin. Sie ist international eine anerkannte feministische Aktivistinnen ihrer Zeit und wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, z.B. für ihre Kampagne zur Mitfinanzierung der WebsiteWomen’s Room, den Abdruck einer Frau auf britischen Banknoten, für die Verpflichtung von Twitter, seinen Umgang mit dem Thema Missbrauch zu ändern, oder für die Aufstellung einer Statue der Frauenrechtlerin Millicent Fawcett auf dem Parliament Square.
Wie Schneeräumen sexistisch sein kann
Allein die Quellenangabe war 70 Seiten lang. Unglaublich viele Fakten und akribische Recherche durch Studien und Statistiken. Das Buch erweitert absolut meinen Blick und macht mir klar, dass es auf allen Ebenen noch unglaublich viel zu tun gibt. Das Buch ist dick und mal ist es leicht und unterhaltsam zu lesen und mal komplex und etwas mühevoll. Aber es lohnt sich in jedem Fall! Ich erfuhr spannende und interessante Dinge. Hier nur drei von unzähligen Beispielen:
- Die immer größer werdenden Smartphones lassen sich eher von Männerhand super bedienen. Für kleinere Frauenhände sind die großen Displays in ihrer Funktionalität schwieriger zu bedienen und eingeschränkt nutzbar. Sie verursachen außerdem mehr Symptome und Störungen in Muskulatur und Gelenken.
- Standardklaviaturen verwehren durch ihre große Spannweite Pianistinnen den gleichen Ruhm wie ihren Kollegen, allein, weil sie für Männerhände designt sind. Frauen haben zudem ein um 50 Prozent höheres Risiko für Schmerzen und Verletzungen als männliche Pianisten.
- In Schweden (und nicht nur dort) wurden lange Zeit zuerst die Hauptverkehrsadern von Schnee befreit, Geh- und Fahrradwege kamen danach an die Reihe. Man ging davon aus, dass Frauen und Männer sich gleich fortbewegen. Was nicht der Fall ist. In Haushalt mit nur einem Auto fährt morgens und abends meist der Mann zur Arbeit und zurück. Die Wege von Frauen sind komplizierter: Sie bringen die Kinder zum Kindergarten, gehen zur Arbeit, begleiten Großeltern zum Arzt und kaufen auf dem Heimweg ein. All diese Wege gehen sie häufig zu Fuß. Das erhöht bei Schnee und Eis das Verletzungs- und Unfallrisiko, wenn die Wege erst spät geräumt werden.
Weiterführende Infos
Frauen werden nicht gesehen, weil Daten über Männer den Großteil des Wissens ausmachen – die Gender-Data-Gap. Wenn du dich dem Thema gerechte Medizin nähern möchtest, empfehle ich dir eine dreiteilige Staffel in der ARD-Mediathek: „Der tödliche Unterschied. Warum das Geschlecht ein Gesundheitsrisiko ist“. Ärzte und Wissenschaftler gehen dabei der Frage nach, wie gerechte Medizin gelingen kann.
Tipp #5 – Carolin Wiedemann: Zart und frei
Carolin Wiedemann zeigt in ihrem Buch „Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats“, dass Genderpolitik aktuell viele Emotionen und Hass hervorruft und politischen Rechtsdruck mobilisiert. Nach ihrer Auffassung benötigt die Gesellschaft eine kollektive queerfeministische Praxis, um den Widerstand gegen patriarchale Herrschaftsstrukturen zu stärken. Dazu sei es notwendig, die Gewalt heutiger patriarchaler Herrschaft zu erkennen und zu bekämpfen, damit ein zärtlicheres Miteinander möglich ist. In einer Welt, in der alle Menschen frei denken und ihre Identitäten ohne Angst und Diskriminierung leben können. Dabei ist ihr wichtig, sexistische Geschlechterverhältnisse in den Blick zu nehmen, damit neue antipatriarchale alternative Beziehungs- und Lebensformen, die es teilweise schon gibt, zu etablieren. Sie sieht darin auch Chancen, jene zu befreien, die immer noch unter Druck stehen, ihre Männlichkeit beweisen zu müssen.
Carolin Wiedemann hat Journalistik und Soziologie studiert und schreibt u. a. für FAS, analyse & kritik, Spiegel und Missy Magazine über Fragen von Kritik und Emanzipation.
Tipp #6 – Podcast Feminismus mit Vorsatz, Laura Vorsatz
Laura Vorsatz setzt sich in ihrem Podcast mit Themen rund um Feminismus, Gleichberechtigung und Gesellschaft auseinander. In jeder Folge interviewt sie eine Gastperson aus Wissenschaft, Kunst oder Politik. Im Fokus stehen dabei vor allem die Perspektiven von Frauen und die Herausforderungen, mit denen sie in einer von patriarchalen Strukturen geprägten Gesellschaft konfrontiert sind. Themen wie Sexismus, Lohngleichheit, #MeToo oder auch die Rolle von Frauen in der Politik werden dabei kritisch beleuchtet und diskutiert. Laura Vorsatz stellt immer wieder die Frage, was Feminismus und Gleichberechtigung ist und nimmt sich selbst und ihre Hörerschaft mit auf die Reise, das Thema zu beleuchten, ohne gleich schon alles selbst zu wissen.
Laura ist freie Journalistin und Sprecherin. Sie schreibt und spricht über Feminismus, weil sie selbst so wenig darüber weiß – so auf ihrer Webseite zu lesen
Feminismus – eine Einführung in ein komplexes Thema
Ich finde den Podcast vor allem empfehlenswert für Menschen, die sich für das Thema Feminismus interessieren und selbst vielleicht nach Antworten suchen bei der Frage, was Feminismus ist, ob sie selbst Feminist*innen sind und wie komplex das Thema eigentlich ist. Für mich eine wertvolle Quelle für neue Perspektiven.
Tipp #7 – Podcast Dissens: Männer machen Frauen der Geschichte unsichtbar
Vera Weidenbach spricht im Podcast Dissens in dieser Folge über ihr Buch „Die unerzählte Geschichte: Wie Frauen die moderne Welt erschufen – und warum wir sie nicht kennen“. Sie geht der Frage nach, warum Frauen in der Geschichtsschreibung oft unsichtbar gemacht werden und welche Auswirkungen dies hat. Die Autorin zeigt anhand teils prominenter Beispiele wie Albert Einstein, Martin Luther King, Jean-Paul Sartre, wie Frauen in historischen Kontexten oft nur als Anhängsel von Männern dargestellt werden, obwohl sie auch bedeutende Rollen gespielt haben. Lucas Ondreka von Dissens spricht mit ihr über die Auswirkungen dieser Unsichtbarkeit von Frauen in der Geschichtsschreibung, wie zum Beispiel die Unterrepräsentation von Frauen in der Politik oder die mangelnde Wertschätzung von Frauen in der Arbeitswelt. Es wird auch diskutiert, wie sich die Situation in den letzten Jahrzehnten langsam verbessert hat und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Frauen in der Geschichtsschreibung sichtbarer zu machen. Dabei wird betont, dass es wichtig sei, Frauen nicht nur als Opfer, sondern auch als aktive Gestalterinnen ihrer Zeit darzustellen. Damit Frauen und andere marginalisierte Gruppen stärker berücksichtigt würden, sei es wichtig, die Vielfalt und Komplexität der Geschichte zu zeigen und dass dies sei nur durch eine differenzierte und inklusive Darstellung möglich.
Vera Weidenbach ist freie Journalistin und Kolumnistin. Zusammen mit ihren Kollegen von der Produktionsfirma ikone media wurde sie 2020 für den Podcast “Affäre Deutschland” mit dem Reporterpreis ausgezeichnet.
Tipp #8 – Meike Stoverock: Female Choice
Es geht um Sex und dass in der Natur die Weibchen den Zugang zu Sex kontrollieren. Das Männchen muss demnach eine Leistung erbringen, um sich mit dem Weibchen zu paaren. Meike Stoverock nennt das Female Choice. Bis die Menschen sesshaft wurden, galt dies auch für Frauen. Im Laufe der Geschichte hatten die Frauen aber immer weniger die Wahl, sie wurden ausgeschlossen, isoliert und kontrolliert, aus der Öffentlichkeit ins private Heim gedrängt. Die Biologin führt in ihrem Buch „Female Choice. Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation“ evolutionsbiologisch aus, dass Frauen erst wieder seit kurzer Zeit Welt mitgestalten und dadurch die männliche Ordnung erheblich ins Wanken gerät. Immer stärker formiert sich männlicher, teils gewalttätiger Widerstand. Stoverock behauptet, dass die Befreiung der Frauen und ihre Gleichstellung mit Männern der einzige Weg sind, um die menschliche Zivilisation zu retten. Die Autorin fordert eine grundlegende Änderung der Gesellschaft, bei der Frauen in allen Bereichen gleichgestellt sind und ihre Fähigkeiten und Potenziale frei entfalten können.
Meike Stoverock studierte Biologie mit Schwerpunkt Evolutionsökologie und promovierte im Bereich Epidemiologie. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt sind ihr besonderes Steckenpferd. Seit der #Aufschrei-Aktion 2013 beteiligt sie sich immer wieder an Geschlechter- und Gesellschaftsdebatten.
Mehr als freie Sex-Partner-Wahl für die Frauen
Ich finde das Buch ziemlich radikal und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es ziemlichen Widerstand hervorruft, nicht nur bei der männlichen Leserschaft. Manche ihrer Thesen sind vielleicht umstritten, aber ich finde, es lohnt sich darüber zu streiten! Das Buch ist sehr komplex, differenziert, mit einem krassen Blick in die Zukunft. Ich brauchte für das Buch Offenheit und Zeit.
Mehr Infos
Wenn du ein bisschen mehr über Meike Stoverock und ihr Buch erfahren möchtest, kannst du dem Podcast „Die Leserinnen“, Folge#25, lauschen.
Tipp #9 – Emilia Roig: Das Ende der Ehe
Eine weitere kraftvolle feministische Arbeit von Emilia Roig, die die patriarchale Institution der Ehe infrage stellt. Roig präsentiert eine vielschichtige Analyse der Ehegeschichte und zeigt auf, wie sie insbesondere für Frauen als Werkzeug der Unterdrückung diente. Sie entlarvt die gesellschaftlichen Normen und patriarchalen Strukturen, die die Ehe stützen und individuelle Freiheit von Frauen unterschiedlicher ethnischer Hintergründe, Klassen und sexueller Orientierungen einschränken. Roig fordert die Abschaffung der Ehe und plädiert stattdessen für neue Formen von Beziehungen, die auf Gleichberechtigung und individuellen Bedürfnissen basieren. Sie demontiert romantisierte Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft und stellt alternative Modelle vor, wie nicht-monogame Beziehungen und queer-feministische Ansätze.
Emilia Roig ist Gründerin und Direktorin des Center for Intersectional Justice (CIJ) in Berlin und lehrte in Deutschland, Frankreich und den USA Intersektionalität, Critical Race Theory und Postkoloniale Studien sowie Völkerrecht und Europarecht.
Querfeministische Ansätze von Partnerschaft
Ich fand das Buch sehr provokant und habe mir dazu auch viele Interviews von ihr angehört, weil mich ihre Sicht auf die patriarchale Institution der Ehe und ihre Rolle in unserer Gesellschaft total fasziniert hat. Ehrlich gesagt, hatte ich selbst immer den Wunsch, zu heiraten, was ich jetzt nach der Trennung von meinem Partner nochmal reflektiert und infrage gestellt habe. Ich kann ihrer Vision, die Ehe abzuschaffen und Platz zu machen für neue Arten von Beziehungen in einer gerechteren Gesellschaft, so sehr folgen. Teils war ich erschrocken, wie sie mit ihren Ansätzen und Analysen die romantische Vorstellung von Liebe systematisch demontiert. Ihre Vorschläge, um Beziehungen auf Augenhöhe zu gestalten, machen Mut. Sie fordert auch die Männer auf, ihre Privilegien zu erkennen und aktiv zur Veränderung beizutragen. Ich selbst bleibe allerdings mit Zweifeln zurück, ob das gelingen kann. Nach meinen Erfahrungen glaube ich nicht daran, dass dies mit Männern aus meiner Generation (noch) möglich ist. Dabei geht es mir nicht nur um Gleichberechtigung, sondern insbesondere um emotionale Entwicklung. Das Buch ist jedenfalls absolut augenöffnend und sehr empfehlenswert!
Mehr Infos
- Im Podcast „Gespräche von Morgen“ in der Episode #82
- Alternativ: Podcast „Die Alltagsfeministinnen“ vom rbb Berlin, hier die Episode
Tipp #10 – Liebe lernen von bell hooks
„Lieben lernen – Alles über Verbundenheit“ von bell hooks zum Thema Liebe und Verbundenheit lädt die Leser*innen ein, eine tiefere Ebene der Liebe zu entdecken und zu verstehen, wie Verbundenheit in unseren Beziehungen hergestellt werden kann.
Nach ihrer Erklärung basiert wahre Verbundenheit auf einem tieferen Verständnis von sich selbst. Selbstliebe und das eigene innere Wachstum sei Grundlage für erfüllte Beziehungen. Das Buch beschäftigt sich auch mit verschiedenen Arten von Beziehungen, sei es romantische Partnerschaften, Familienbeziehungen oder Freundschaften. Hoogs ermutigt die Leser*innen, aktiv zuzuhören, Empathie zu zeigen und offen für Veränderungen zu sein, um Beziehungen zu vertiefen.
Bell hooks (1952-2021) war eine US-amerikanische Hochschullehrerin, Literaturwissenschaftlerin und Autorin. Sie war eine Verfechterin intersektionaler, feministischer, antirassistischer und kapitalismuskritischer Ansätze. Sie arbeitete früh zu schwarzem Feminismus und veröffentlichte mehr als 30 Bücher, überwiegend zu Gender, Rassismus, Feminismus.
Du musst dich entscheiden für die Liebe
Das Buch hat mich bestärkt. Ist es doch von einer Frau meiner Zeit geschrieben, wenn auch aus einer anderen Kultur. Es ist ein Plädoyer für die Liebe, egal wie alt du bist. Beim Thema Liebe stecken wir Frauen in patriarchalen Denkmuster und Machtstrukturen fest. So zumindest empfinde ich es inzwischen auch für mich selbst. Ich stoße in Partnerschaften allmählich an Grenzen, was mein Bedürfnis nach Liebe angeht. Geschlechterrollen und -prägungen prallen auf unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse. Oft fehlt die emotionale Tiefe und Entwicklung. Und in mir das dumpfe Gefühl, ich erwarte zu viel. Im Buch vertritt die Autorin eine Vision von Liebe, die mir, ich muss es mir eingestehen, noch nicht begegnet ist, weder in mir selbst noch in Partnerschaften. Bell hooks ist überzeugt, dass Liebe insbesondere auf Selbstliebe sowie Freiheit und echter Verbundenheit basieren.
Das Buch hat mir einmal mehr die Erkenntnis gebracht, dass Liebe in mir selbst beginnt, Verbundenheit insbesondere außerhalb von Hetero-Partnerschaften möglich ist und dass ich nicht zu viel bin. Es ist eine Entscheidung, sich für die Liebe zu öffnen.
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