Mit der Trauer das Herz der Liebe öffnen – eine persönliche Sicht

2 Jul 2024 | Persönliches über mich

Vor wenigen Tagen hat es in meinem engen Freundeskreis einen plötzlichen Todesfall gegeben. Eine Familie verliert auf tragische Weise den geliebten Menschen. Tochter, Mutter, Partnerin, Schwester, Tante, Nichte, Cousine, Freundin, Kollegin. Ein Verlust, der das Leben der Familie für immer verändert hat. Als Mutter kann ich den Schmerz, den diese Lücke in das Leben der Menschen reißt, sofort nachfühlen. Es ist ein unermesslicher Verlust, der mich tief erschüttert.

Schreiben ist für mich eine Form, Gefühle auszudrücken. Schreiben ist Atmen, schreiben ist Leben – für mich. In diesem Blogbeitrag schreibe ich über das Gefühl der Trauer und spanne den Bogen von privat-persönlich hin zur beruflichen Perspektive und der Frage, warum es im Leben wichtig ist, Gefühle zu spüren, auszudrücken – auch in unserem Business. Und ich versuche die Scheu zu nehmen, mit trauernden Menschen umzugehen, ihnen nah zur Seite zu stehen.

Trauer – Annehmen, was nicht zu ändern ist

Trauer ist eine zutiefst menschliche Reaktion auf Verlust. Sie ist komplex, vielschichtig und unvermeidlich. Während wir durch diesen Schmerz navigieren, können wir heilen und innere Stärke finden. Wir brauchen die Trauer, um unser Herz zu öffnen, Hilflosigkeit anzunehmen und loszulassen, was wir nicht ändern können.

In unserer schnelllebigen Welt, insbesondere im beruflichen Kontext, gibt es oft die unausgesprochene Erwartung, dass wir trotz persönlicher Verluste und emotionaler Turbulenzen „funktionieren“ müssen. Es wird erwartet, dass wir nach einer bestimmten Zeit der Trauer wieder vollständig einsatzbereit sind, als ob es einen festgelegten Zeitrahmen für den Schmerz gäbe. Doch Trauer ist höchst individuell und lässt sich nicht in standardisierte Phasen oder Zeitrahmen pressen. Und häufig ist es das soziale Umfeld, das nicht mit der Trauer umgehen kann und deshalb manchmal beschwichtigend diesem Schmerz ausweichen möchte.

Individuelle Trauerwege: Warum es keinen festgelegten Zeitrahmen gibt

Die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross hat das Verständnis der Trauer revolutioniert, indem sie aufzeigte, dass Trauer nicht ein linearer Prozess ist, sondern ein dynamisches Erleben, das uns immer wieder überrascht. Diese Wellen der Trauer können uns unerwartet treffen, manchmal scheinbar grundlos und wir müssen lernen, mit ihnen zu schwimmen, statt gegen sie anzukämpfen.

Gleichzeitig trägt die Trauer ebenso eine transformative Kraft in sich, so beschreibt es Vivian Dittmar in ihrem Buch “Gefühle und Emotionen“. Trauer ist nicht nur ein Zeichen von Verlust, sondern auch eine tiefe innere Bewegung, die uns zu uns selbst zurückführen kann. Trauer, wenn wir sie zulassen, hilft uns eine tiefere Verbindung zu uns selbst und unseren Gefühlen herzustellen. Wie bei allen Gefühlen ist es nicht ratsam, Trauer zu vermeiden, auch wenn es noch so verlockend scheint.

Nicht ausgedrückte Gefühle stauen sich zu Emotionen an. Manchmal verfestigen sich nicht gelebte Gefühle in unserem Körper zu destruktiver Wut oder führt in die Depression. Wir fühlen uns emotional und körperlich blockiert.

Emotionale Kompetenz privat und im Job: Trauer zulassen und verarbeiten

Aber was hat das alles jetzt mit unserem Business zu tun? In meiner Arbeit als Coach, Trainerin und Kommunikationsberaterin begleite ich oft Menschen, die Gefühle vermeiden, insbesondere die Trauer. Das wirkt sich auf die tägliche Arbeit aus. Auf der mentalen Ebene schwächt es unsere Konzentration, wir fühlen uns überfordert und machen Fehler. Auf der sozialen Ebene fehlt uns echte menschliche Nähe und Verbindung, die Atmosphäre wirkt kühl und unsere kollegialen Beziehungen sind unpersönlich.

Wenn wir den Mut haben, unsere eigene Trauer und andere Gefühle anzuerkennen und zu verarbeiten, setzen wir ein kraftvolles Beispiel für unsere Kolleg*innen. Wir zeigen, dass es in Ordnung ist, menschlich zu sein, Gefühle zu haben und diese zu äußern. Dies schafft eine Kultur der Authentizität und des Mitgefühls, die für das Wohlbefinden, Wertschätzung und Motivation entscheidend ist. Und was für den Job wichtig ist, das ist umso mehr für uns persönlich und privat wichtig.

Trauer ist eine Reise, die uns tief in unser Inneres führt. Sie konfrontiert uns mit unserer eigenen Sterblichkeit und der Zerbrechlichkeit des Lebens. Indem wir der eigenen Trauer Raum geben und sie in ihrer vollen Tiefe und Weite erleben, entwickeln wir innere Stärke und Resilienz. Eine Kraft, die uns durchs Leben trägt.

Die Kraft der Trauer: Unterstützung in der dunkelsten Stunde

Obwohl meine Ausführungen über die transformative Kraft der Trauer bedeutsam sind, werden sie der Familie meines Freundeskreises im Moment nicht helfen. Sie stehen am Anfang ihres Trauerprozesses, im engsten Kreis ihrer Liebsten. In dieser Phase ist der Verlust und der Schmerz überwältigend. Trauernde können es nicht begreifen, fühlen sich hilflos und kaum in der Lage, den Alltag zu bewältigen. In dieser Phase benötigen sie vor allem Mitgefühl, Geduld und praktische Unterstützung.

Empathie ohne Mitleid: Gefühle zulassen und unterstützen

Was Menschen in Trauer helfen kann, ist die Präsenz und Liebe ihrer engsten Vertrauten. Als Freundin kann ich zuhören, ohne zu urteilen oder Ratschläge zu geben. Ich kann einfach da sein, ihre Hand halten, wenn die Worte fehlen sowie den Raum für Gefühle weiten und halten.

Praktische Hilfe ist ebenfalls wichtig – sei es durch die Übernahme von Alltagsaufgaben, Unterstützung bei der Betreuung der Kinder oder durch das Organisieren von Mahlzeiten. Mit kleinen Gesten der Fürsorge zeigen, dass sie nicht alleine sind.

In dieser Zeit des tiefen Schmerzes ist es entscheidend, dass die Trauernden wissen, dass sie auf uns zählen können. Sätze wie „Melde dich, wenn du etwas brauchst“ sind gut gemeint, helfen jedoch oft nicht weiter, da sie die Trauernden zum Bittsteller machen. In einer solchen Situation ist es oft nicht möglich, auf andere zuzugehen. Wichtig ist beispielsweise klare Zeitpunkte zu nennen, wie „Ich komme heute um 15 Uhr vorbei“, und auch wenn der andere „nein“ sagt, immer wieder auf ihn zugehen.

Stattdessen ist es besser, konkrete Unterstützung anzubieten, wie zum Beispiel:

  • Regelmäßig nach ihnen schauen und sie anrufen oder besuchen.
  • Angebote machen, ihre Kinder zu betreuen, den Einkauf erledigen oder sie zu gemeinsamen Aktivitäten einzuladen.
  • Mahlzeiten vorbeibringen oder gemeinsam mit ihr kochen.
  • Hilfe bei administrativen Aufgaben anbieten, die in dieser schwierigen Zeit überwältigend sein können.

Trauer und Heilung: Die Bedeutung von Nähe und Unterstützung

Das Wichtigste ist, da zu sein und nah zu bleiben, auch wenn einem die Worte fehlen. Es ist entscheidend, den Trauernden nicht zu beschwichtigen und keine Angst vor Tränen oder anderen Gefühlsausdrücken zu haben. Empathisch sein ohne Mitleid zu fühlen und den Trauernden nicht aus dem Weg gehen. Trauernde spüren, wenn man einer Begegnung ausweicht und das kann ihren Schmerz vertiefen.

Wir können der Freundin oder dem Freund den Schmerz über den Verlust nicht nehmen. Es gibt keinen Trost, nur Anteilnahme und Beistand. Wir können nur helfen, den Schmerz und die Trauer zu tragen. Indem wir ihr*ihm zur Seite stehen. Mit kleinen Angeboten und Gesten Unterstützung anbieten, auch, wenn sie mitunter (noch) nicht gewünscht ist, und Kraft geben, dass sie auf diesem schweren Weg nicht allein ist.

Auch mich macht das Geschehen zunächst sprach- und hilflos. Tief betroffen vergesse auch ich im ersten Moment, dass es bei meinem Wunsch nach Kontakt nicht um meine Bedürfnisse geht – Beileid bekunden, meine Anteilnahme auszudrücken oder vielleicht meine Ohnmacht zu beruhigen. Es geht darum, im Stillen da, nah und präsent zu sein und die Wünsche der Trauernden zu respektieren.

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Michaela Arlinghaus
Bloggen – meine neue Leidenschaft

In diesem Blog findest du wöchentlich neue Themen aus meinem beruflichen Alltag.

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