Bewerber*innen springen schneller ab als je zuvor. Die Gründe liegen in der Veränderung von Gesellschaft und Arbeitswelt sowie der Verschiebung vom Arbeitgeber- hin zum Arbeitnehmermarkt. Potenziell Interessierte erhalten unmittelbar Zugang zu Informationen über den Arbeitgeber, allerdings meist nicht auf der eigenen Webseite. Sie lesen Bewertungen und erhalten so Einblick in Kultur, Werte, Arbeitsbedingungen. Entsprechen die Informationen nicht den Erwartungen oder persönlichen Werten, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie abspringen oder ein mögliches Interesse nicht weiter verfolgen.
Außerdem änderten sich in den letzten Jahren Prioritäten, Erwartungen, Werte der neuen Bewerber-Generation. Das Gehalt ist zwar immer noch wichtig, aber flexible Arbeitszeiten, Weiterentwicklung, Work-Life-Balance sind weitere entscheidende Kriterien bei der Jobauswahl. Wenn Kandidat*innen keine Aussagen dazu finden, suchen sie einfach woanders weiter.
In vielen Branchen, insbesondere Gesundheit- und Pflegebranche oder auch im Handwerk hat sich der Arbeitsmarkt in Richtung der Arbeitnehmer*innen verschoben. Es herrscht ein Überangebot an Stellen. Wenn Bewerber*innen das Gefühl haben, woanders vielleicht bessere Möglichkeiten zu haben, dann ziehen sie weiter, auch während des Bewerbungsprozesses. Oder, was immer häufiger vorkommt, treten die Stelle, für die sie vorgesehen waren, gar nicht erst an.
Arbeitgeber können mit einer positiven Candidate Experience entscheidend die Absprungraten verringern. Und zwar vom ersten Kontaktpunkt an. Mit einem Bewerbungsprozess, der nicht nur interessant und authentisch sowie klar in der Kommunikation, sondern auch transparent und wertschätzend ist. Ein durchweg positives Erlebnis, was von Anfang an Bindung und Engagement stärkt. Dieser positive Eindruck wird weiter erzählt, egal, ob Bewerber*innen letztlich eingestellt werden.
In diesem Blogbeitrag nenne ich gravierende Fehler von Arbeitgebern im Bewerberprozess und gebe Tipps, wie sie es besser machen können.
Was ist Candidate Experience und welchen Nutzen hat es
Candidate Experience bezieht sich auf die jede Art von Erfahrung und Berührungspunkte, die Bewerber*innen während des gesamten Bewerberprozesses mit dem zukünftigen Arbeitgeber erleben. Angefangen von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Einstellung oder einer Absage.
Eine positive Candidate Experience hat einen entscheidenden Einfluss auf das Image des Unternehmens oder der Organisation. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Bewerber*innen sich für genau diese*n Arbeitgeber*in entscheiden. Außerdem stärkt es langfristig die Mitarbeiter*innenbindung.
Eine positive Candidate Experience ist nicht nur für die unmittelbare Gewinnung von Fachkräften wichtig, sondern auch langfristig für eine starke Arbeitgebermarke. Unternehmen heben sich so von ihren Wettbewerbern ab und ziehen damit Top-Fachkräfte effektiver an und binden diese frühzeitig.
Arbeitgeber machen Fehler im Kontakt mit Bewerber*innen
Eine positive Candidate Experience spielt eine zentrale Rolle. Doch leider begehen viele Arbeitgeber Fehler im Bewerbungsprozess, die potenzielle Kandidat*innen abschrecken. In diesem Leitfaden werde ich einige der häufigsten Fehler bei der Candidate Experience beschreiben und wertvolle Tipps geben, wie Arbeitgeber*innen diese vermeiden und stattdessen eine überzeugende und ansprechende Erfahrung für Bewerber*innen schaffen können.
Die Spannbreite beginnt beim allerersten Kontakt, über eine aussagekräftige Stellenanzeige, einer Karriereseite mit Erlebnischarakter, eines wertschätzenden Vorstellungsgesprächs auf Augenhöhe bis hin zur sorgfältigen Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen im Onboarding-Prozess.
Fehler #1: Stellenanzeigen nicht aussagekräftig genug
Eine wirksame Stellenanzeige ist wie eine Visitenkarte für das Unternehmen. Sie sollte nicht nur die offene Stelle beschreiben, sondern ebenso die Kultur und Werte des Unternehmens widerspiegeln. Unklare oder unzureichende Informationen sowie floskelhafte Formulierungen können potenzielle Bewerber*innen abschrecken und dazu führen, dass sie sich nicht bewerben. Insbesondere ist es wichtig, den Nutzen für potenzielle Kandidat*innen hervorzuheben.
Tipp: Verwenden Sie klare und ansprechende Sprache, die die Kultur und den Wert des Unternehmens reflektiert. Zeigen Sie, was das Unternehmen von anderen Arbeitgeber*innen unterscheidet, und kommunizieren Sie präzise die Erwartungen und Anforderungen der Position. Seien Sie vor allem konkret. Statt von flexiblen Arbeitszeiten zu schreiben, drücken Sie aus, wie sich dieser Benefit konkret für Bewerber*innen am Arbeitsplatz auswirkt.
Fehler #2: Konkrete Ansprechpartner*innen fehlen
Bewerber*innen möchten wissen, wer konkret ihre Fragen beantwortet, sie informiert und mit wem sie es zu tun haben. Das Fehlen von Ansprechpartner*innen kann verunsichern oder zu Desinteresse auf seitens der Bewerber*innen führen. Viele Unternehmen nennen häufig den Personalleiter als Ansprechpartner, mit dem Hinweis, die vollständigen Bewerbungsunterlagen zu schicken. Da ist die Hürde viel zu hoch. Auch eine allgemeine E-Mail an bewerbung@ oder die Durchwahl zum Empfang ist zu wenig persönlich und schreckt ab.
Tipp: Zeigen Sie sich offen, persönlich und zugänglich. Geben Sie konkrete Ansprechpartner*innen an – in der Stellenanzeige und ebenso auf der Webseite. Unabdingbar sind umfassende Kontaktinformationen mit persönlicher Email und Durchwahl. Auch ein Foto der Kontaktperson wirkt freundlich und motiviert zur Kontaktaufnahme.
Fehler #3: Karriereseite nicht vorhanden
Eine gut gestaltete Karriereseite ist wie ein Schaufenster, das nicht nur offene Stellen auflistet. Potenzielle Bewerber*innen wollen informiert und überzeugt werden. Mit emotionaler Bild- und Textsprache werden Geschichten erzählt, die neugierig machen. Eine Karriereseite zeigt Einblick in die Unternehmenskultur, die Entwicklungsmöglichkeiten oder die Arbeitsumgebung. Die Vorteile für Mitarbeiter*innen lassen sich durch authentische O-Töne von Mitarbeiter*innen erlebbar machen. Hier lesen Sie ausführlich, warum eine Karriereseite für soziale Einrichtungen sinnvoll ist und was auf keinen Fall dabei fehlen sollte.
Ich erlebe es aktuell sehr häufig, dass Unternehmen und soziale Einrichtungen sich von Recruiting-Agenturen mit tollen Anzeigen in den sozialen Medien unterstützen lassen. Starke Bilder, bunte Icons, aussagekräftigen Benefits und motivierende Überschriften machen neugierig. Auf den eigenen Seiten der Arbeitgeber*innen ist davon nichts mehr zu finden: Textwüsten, überholte Informationen, kaum Fotos und schwer zu findende Kontakte. Das schreckt Bewerber*innen ab. Warum Recruiting-Agenturen (allein) kein Allheilmittel sind, lesen Sie in diesem Blogbeitrag.
Tipp: Erstellen Sie eine gut strukturierte Karriereseite, die Informationen bietet aber auch neugierig macht. Mindestanforderungen: Benefits, die belegbar sind mit spannenden Geschichten, Interviews und Stories aus dem konkreten Arbeitsalltag; aussagekräftige Stellenprofile; Online-Bewerberformular und präzise Informationen über den Arbeitgeber. Gestalten Sie die Seite leicht zugänglich und benutzerfreundlich, um das Interesse der Bewerber*innen zu wecken und sie zu ermutigen, Kontakt aufzunehmen und sich zu bewerben.
Ich schaue für sozialen Einrichtungen über den Tellerrand,
um neue Mitarbeiter*innen zu gewinnen
Ich arbeite seit 2005 mit sozialen Einrichtungen zusammen. Zunächst mit Text, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. In den letzten Jahren hat das Thema Fachkräftemangel die Einrichtungen sehr herausgefordert. Es galt langfristig moderne Recruiting-Maßnahmen zu implementieren, mit dem Ziel eine starke Arbeitgebermarke aufzubauen. Mit vielen Einrichtungen arbeite ich seit vielen Jahren zusammen. Eine besonders schöne Rückmeldung ist für mich, wenn die Organisation sich über Voll- oder gar Überbeschäftigung freut. Ein positives Ergebnis intensiver Arbeit. Mit gezielten Fragen stellen wir immer wieder das Besondere des Arbeitgebers heraus, den Nutzen für die Bewerber*innen, etwas das die Einrichtung unverwechselbar macht. Was mich als Texterin für soziale Einrichtungen besonders macht, ist hier nachzulesen.
Fehler #4: Lange Antwortzeiten nach Kontaktanfrage oder Bewerbung
Bewerber*innen überwinden sich, bewerben sich und dann: Funkstille. Sie hören nichts mehr, weder etwas über den Eingang der Bewerbung, noch erhalten Sie eine Absage. Das führt zu Frust, Ärger und Unsicherheit und macht überhaupt keinen positiven Eindruck. Und es spricht sich herum. Es erweckt den Anschein, dass Unternehmen sich nicht für ihre Mitarbeiter*innen interessieren oder insgesamt unorganisiert sind.
Tipp: Bemühen Sie sich um eine schnelle und transparente Kommunikation. Bestätigen Sie in jeden Fall den Eingang der Mail oder Bewerbung, das kann heute bereits automatisiert sein. Eine freundliche Rückmeldung und eine Information wie es weitergeht lässt die Wartezeit entspannter empfinden. Im besten Fall äußern Sie, dass Sie sich innerhalb einer kurzen Frist persönlich melden. Bereits auf der Karriereseite können Sie verbindlich über den Zeitrahmen Ihrer Rückmeldung informieren. Seien Sie verbindlich und halten Sie den Kontaktfaden in Ihrer Hand!
Fehler #5: Keine Gehaltsangaben in Stellenprofilen
Das Gehalt wird immer noch zu oft erst im Vorstellungsgespräch genannt. Das ist zu spät! Unternehmen befürchten, Bewerber*innen empfinden das Gehalt als zu niedrig. Das mag in manchen Situationen der Fall sein. Ein auskömmliches Gehalt ist auch der jungen Generation wichtig. Doch es ist nicht mehr das alles entscheidende Kriterium. Und wer nur wegen eines guten Gehalts die Stelle antritt, geht auch wieder, wenn ihm*ihr woanders mehr geboten wird. Es ist eher das Fehlen von Gehaltsangaben in Stellenanzeigen, dass Bewerber*innen veranlassen, sich nicht zu bewerben oder sich unsicher zu fühlen, ob die Position ihren finanziellen Bedarfen entspricht.
Tipp: Geben Sie in den Stellenanzeigen und auch auf der Karriereseite klare Informationen über das Gehalt an, um Transparenz und Vertrauen zu schaffen. Das können Gehaltsspannen und –beispiele sein. Auch die finanziellen Zusatzleistungen sollten wenn möglich konkret in Euro genannt werden. Zeigen Sie Gehaltsentwicklungen auf und verlinken Sie ggf. Informationen zu Tarifen verlinken.
Fehler #6: Bewerbung zu kompliziert
Eine komplizierte Bewerbung kann potenzielle Bewerber*innen abschrecken und dazu führen, dass sie die Bewerbung abbrechen. Zu viele erforderliche Schritte, umständliche Formulare oder unklare Anweisungen verkomplizieren den Bewerbungsprozess unnötig. Die junge Bewerber*innen-Generation hat teils keinen E-Mail-Account mehr, sondern kommuniziert per Chat und Messenger. Die Bitte, die vollständigen Bewerbungsunterlagen mit Zeugnissen, Anschreiben und Belegen per Mail oder gar per Post zu schicken, ist nicht mehr zeitgemäß. Das bedeutet nicht, dass Arbeitgeber*innen auf Zeugnisse verzichten sollten. Allerdings können diese zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht oder zum Kennenlerngespräch mitgebracht werden.
Tipp: Vereinfachen Sie den Bewerbungsprozess, geben Sie klare Anweisungen und vermeiden Sie dadurch unnötige Hürden. Eine Bewerbung per Online-Formular hat nur wenige Formular-Felder, ist anwenderfreundlich und dauert in der Regel wenige Minuten. Je dringender Fachkräfte gesucht werden, desto niedrigschwelliger ist der Erstkontakt. Das Hochladen von umfangreichen Anhängen ist dabei freiwillig.
Fehler #7: Kontaktpunkte im Bewerbungsprozess fehlen
Eine fehlende Kommunikation während des Bewerbungsprozesses kann das Interesse von Bewerber*innen mindern und sie dazu bringen, sich anderen Unternehmen zuzuwenden. Bewerber*innen wünschen sich feste Ansprechpartner*innen, bei dem sie jederzeit ihre Fragen loswerden können. Unternehmen erleben immer häufiger, dass Bewerber*innen nach Vertragsunterzeichnung die Stelle gar nicht erst antreten. Es fehlten die sogenannten Touchpoints (Berührungspunkte). Denn vom Erstkontakt bis zur Einstellung ist es ein langer Weg und da gilt es konstant und niederschwellig den Kontakt zu pflegen. So lernen die zukünftigen Mitarbeiter*innen die Unternehmen nicht nur kennen, sondern fühlen sich ebenso emotional verbunden.
Tipp: Etablieren Sie mindestens drei Kontaktpunkte im Bewerbungsprozess, um den Bewerbern regelmäßige Updates und Rückmeldungen zu geben. Erleichtern Sie vor allem den Erstkontakt beispielsweise durch einen Rückruf-Button. Reduzieren Sie die Antwortzeiten auf ein Minimum. Implementieren Sie nach Vertragsunterzeichnung bis zum Ende der Probezeit ein Patenprogramm. Benennen Sie in Stellenanzeigen und auf Ihrer Karrierewebseite konkrete Ansprechpersonen, die erreichbar sind und sich aktiv zurückmelden.
Fehler #8: Vorstellungsgespräche zu arbeitgeberorientiert
Vorstellungsgespräche, die hauptsächlich darauf abzielen, die Anforderungen des Unternehmens zu erfüllen, können bei Bewerber*innen den Eindruck erwecken, dass das Unternehmen sich nicht für ihre individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse interessiert. Während Arbeitgeber*innen den*die Kandidat*in auf Herz und Nieren auf Eignung prüfen, scharren Bewerber*innen bereits mit den Füßen und fragt sich, wann er endlich seine*ihre Fragen nach Work-Life-Balance und Homeoffice loswerden kann. Es ist wichtig, im Gespräch die Bedürfnisse beider Seiten in Einklang zu bringen.
Tipp: Strukturieren Sie Vorstellungsgespräche sorgfältig und bereiten sich darauf vor, um sicherzustellen, dass dieses Gespräch sowohl für Arbeitgeber*in als auch für Bewerber*innen wertvoll ist. Stellen Sie offene Fragen, um die Fähigkeiten, Erfahrungen und Motivationen der Bewerber*innen zu verstehen, und bieten Sie Raum für Fragen und Diskussionen. Unabdingbar ist eine wertschätzende Haltung auf Augenhöhe.
Fehler #9: Absagen sind häufig verpasste Chancen
Nicht immer passen Kandidat*innen zur ausgeschriebenen Stelle. Eine Absage zu verschmerzen, kann manchmal zu Frust führen. Allerdings, eine unpersönliche, verspätete oder gar keine Absage, kann das Image des Unternehmens nachhaltig negativ beeinflussen. Frustrierte Kommentare in den sozialen Medien können andere Bewerber*innen abschrecken. Deshalb ist es wichtig, Rückmeldungen sorgfältig zu formulieren. Auch die Aufnahme in einen Bewerberpool kann sinnvoll sein.
Tipp: Geben Sie Bewerber*innen zeitnah, wertschätzend und respektvoll Rückmeldung zu ihren Bewerbungen. Insbesondere, wenn es sich um Absagen handelt. Personalisieren Sie Absagen, um zu signalisieren, dass ihre Bewerbungen ernst genommen werden. Richten Sie in jedem Fall einen Bewerberpool ein und bitten Sie ggf. darum, dass Bewerber*innen ihr Erleben im Bewerbungsprozess auf Online-Portalen mit anderen Menschen teilen. Auch ein konstruktives Feedback zur Bewerbung kann für Bewerber*innen wertvoll sein.
Fehler #10: Onboarding-Prozess unbeachtet
Ein vernachlässigter Onboarding-Prozess kann dazu führen, dass neue Mitarbeiter*innen sich unsicher oder desorientiert fühlen und sich schwer in ihre neue Rolle und das Unternehmen integrieren können. Ein Onboarding-Prozess umfasst die Aufnahme und Einarbeitung von neuen Mitarbeiter*innen, mit dem Ziel, den*die Mitarbeiter*in zu integrieren und langfristig zu binden. Idealerweise schließt er sich an die Vertragsunterzeichnung an und kann mehrere Monate andauern. Ein Onboarding-Prozess stellt alle notwendigen Informationen, Ressourcen und Unterstützung bereit, damit neue Mitarbeiter*innen erfolgreich in ihrer neuen Rolle starten. Es geht um eine Willkommenskultur in positiver Atmosphäre.
Tipp: Halten Sie nach Vertragsunterzeichnung weiter den Kontakt. Bieten Sie Mentoring-Programme ein und stellen Sie erfahrende Mitarbeiter*innen an die Seite der neuen Teammitglieder. Erstellen Sie strukturierte Einarbeitungspläne und planen Sie Schulungen, Meetings mit Schlüsselpersonen und Meilensteine ein. Auch regelmäßige Feedbackgespräche können Entwicklung und Zufriedenheit abfragen.
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