In meinen Coachings und Seminaren kommt häufig dieser Glaubenssatz zur Sprache: Gefühle haben im Job nichts zu suchen. Ich frage dann meist: „… weil…?“ und erhalte Antworten wie „… dann wirst du als schwach angesehen“, „du verlierst Respekt“, „man verurteilt dich als zu emotional“, „… ich bin nicht zuständig für die Psychohygiene meiner Mitarbeiter“, „… man sollte besser Privat vom Beruflichen trennen“, „ich will mich nicht angreifbar machen“ und vieles mehr. In diesem Blogbeitrag räume ich mit dem Glaubenssatz auf und zeige dir, warum es wichtig ist, Gefühle zu äußern.
Gefühle haben wir ständig
Gefühle sind da, auch wenn sie nicht offen gezeigt werden. Das drückt sich in der Stimmung, der Atmosphäre und in der Körpersprache aus. Es ist kein Raum für Persönliches und Begegnung. Gespräche laufen distanziert und sachbetont ab. Bei Veränderungen zeigt sich häufig unbewusst Widerstand und über Meetings liegt eine unangenehme Spannung. Viel Produktivität geht damit verloren. Menschen leben nicht ihr volles Potenzial, entfalten nicht ihre Talente und Fähigkeiten und sind wenig motiviert. Freude, Leichtigkeit, Fröhlichkeit? Fehlanzeige.
Im Arbeitsalltag setzen wir häufig die Job-Maske auf
Viele Menschen sind davon überzeugt, dass es ein Ausdruck von Schwäche ist, wenn sie Gefühle zeigen. Das lässt sich im Arbeitsalltag unter Kolleg:innen und ebenso in der Beziehung von Mitarbeiter:innnen zu Führungsfrauen und –männern beobachten. Wir setzten eine Job-Maske auf und tun so, als ob es uns gut geht. An Meetings nehmen wir mit Pokerface teil, um uns einen strategischen Vorteil zu verschaffen. Im Beurteilungsgespräch mit dem Abteilungsleiter reißen wir uns innerlich zusammen, damit wir nicht die Fassung verlieren. Und auch wenn in manchen Unternehmenskulturen bereits angekommen ist, dass Gefühle Ausdruck von Authentizität sind, reduziert sich der Gefühlsausdruck in der Regel auf Sätze wie „Das finde ich jetzt irritierend.“ Wir sagen selten, dass wir traurig, verletzt, wütend sind und wir weinen, schreien und toben nur, wenn wir die Kontrolle über unsere Gefühle gänzlich verloren haben.
Gefühle klären die Luft wie nach einem Gewitter
Gefühle gehören wie unser Atem zum Leben dazu. Wir haben ständig Gefühle. Jede Situation, von Anbeginn an, ist mit Gefühlen verbunden. Gefühle sind die Sprache unseres Körpers, wir spüren den Kloß im Hals ebenso wie die zitternden Knie vor einer Präsentation oder die Schmetterlinge im Bauch, wenn wir verliebt sind. Als wichtige Signale zeigen sie uns schnell, was wir mögen und was nicht und geben uns Hinweise auf unsere Bedürfnisse. Mit Gefühlen übernehmen wir Verantwortung und sie versetzen uns in die Lage zu entscheiden und aktiv zu handeln.
Wenn wir Gefühle so auszudrücken, wie sie kommen, dann fühlen wir uns in unserer Kraft und spüren die Energie im Fließen lassen. Gefühle bringen uns ins Miteinander, lassen uns Lebendigkeit und Herzenswärme spüren. Spontan ausgedrückte Gefühle tauchen auf, drücken sich aus und ziehen vorüber, wie ein Gewitter am Himmel. Danach ist die Luft klar und rein.
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Emotionen sind nicht gelebte Gefühle aus der Vergangenheit
Das Problem sind nicht die Gefühle, sondern die Emotionen. Darin besteht ein Unterschied. Emotionen sind unterdrückte Gefühle, die wir in unserem Erfahrungsgedächtnis gesammelt haben. Sie drücken sich als Spannung im Körper aus. Emotionen wirken auf unbewusster Ebene aus der Vergangenheit. Es ist ein bisschen so, als wenn wir Rabattmarken kleben. Und irgendwann, wenn das Rabattmarkenheft voll ist, bricht es unkontrolliert aus uns heraus. Wir verlieren die Kontrolle und unsere Reaktion ist der aktuellen Situation selten angemessen. Hinterher mögen wir vor Scham am Liebsten im Boden versinken. Da geht es mir genauso wie dir!
Es sind also nicht die Gefühle, vor denen wir uns im Arbeitsalltag (und auch privat) fürchten. Es sind die emotionalen Reaktionen, die uns Angst machen. Wir möchten diese Emotionen unter Verschluss halten, sie ein für alle Male in den Keller sperren oder zumindest unter Kontrolle halten. Wir verlieren so leider mehr und mehr den Zugang zu unseren Gefühlen und das Vertrauen in den positiven Aspekt des Fühlens. Wir verlieren Lebendigkeit, Kraft, Energie, Leichtigkeit, Herzlichkeit.
Falsche Annahmen über Gefühle auf die Spur kommen
Auch müssen wir lernen, dass wir nicht immer etwas tun müssen, wenn mein Gegenüber Gefühle zeigt. Wir neigen dazu, es wieder gut machen zu wollen. Je weniger wir mit unseren eigenen Gefühlen umgehen können, desto unangenehmer sind uns auch die Gefühle anderer Menschen. Wir fühlen uns hilflos und überfordert. Wenn in unserer Gegenwart jemand in Tränen ausbricht, wollen wir trösten. Wenn jemand ärgerlich ist, wollen helfen, das Problem zu lösen. Auch hier gilt: Ich bin nicht verantwortlich für das, was der andere fühlt. Wir müssen nicht heilen, sondern da sein, zuhören, Anteil nehmen. Das kann uns auch unglaublich entlasten, keine Lösungen und Ideen produzieren zu müssen oder mit Rat (er)schlagen zu müssen.
Taucht dieser Glaubenssatz „Gefühle haben im Job nichts zu suchen“ auf, dann erforschen wir gemeinsam, ob er wahr ist. Hilfreich sind folgende Annahmen:
- Ich fühle, was ich denke: Wir bewerten Situationen in unserem Leben und verknüpfen sie mit Gedanken. Ich warte auf eine Freundin, die sich verspätet. Ich denke: „Nie kommt sie pünktlich“ und bin ärgerlich.
- Gefühle sind der Schlüssel zu unseren Bedürfnissen: Wenn Bedürfnisse sich erfüllen oder eben nicht erfüllen, haben wir Gefühle. Dein Partner hat dir die gemeinsame Urlaubsreise abgesagt. Dir ist Nähe und Zweisamkeit wichtig. Du bist traurig
- Du bist verantwortlich für deine Gefühle: Gefühle entstehen immer nur in dir selbst. Der andere kann Auslöser sein, ist aber nie verantwortlich für dein Fühlen. (Eine Annahme, die in meinen Seminaren immer zu Diskussionen führt.)
- Der Körper ist die Sprache deiner Gefühle: Unser Fühlen ist im Körper spürbar. Wenn du unsicher bist, was du gerade in einer bestimmten Situation fühlst, lenke deine Aufmerksamkeit in den Körper. Erforsche, wo im Körper du etwas empfindest und beschreibe, was genau du spürst.
Gefühle fühlen schafft Vertrauen, Nähe und Glaubwürdigkeit
Gefühle zu zeigen bedeutet dabei nicht munter durch die Abteilungen und Freundeskreise zu wandern und den Kolleg:innen, Vorgesetzten, Familienmitgliedern und Freunden deine Gefühle vor die Füße zu kippen im Sinne von „Ich zeige doch nur meine Gefühle“. Und es geht ebenso wenig darum, jeden cholerischen Wutanfall meiner Kollegin zu erdulden. Es geht darum, Gefühle in mir wieder zu fühlen, anzuerkennen und auszudrücken und ebenso einen Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen zu finden. Das gilt für mein Privatleben ebenso wie im Job.
Ich bin davon überzeugt, dass wir in unserem beruflichen Alltag und in den Unternehmen mehr Empathie, Anerkennung und Wertschätzung kultivieren sollten. Fühlen ist ebenso wichtig ist wie Denken und Handeln. Es ist wichtig, dass wir wissen, wie es unseren Mitmenschen wirklich geht, dass Gefühle wie Verletzlichkeit, Unsicherheit, Überforderung wieder Raum bekommen dürfen. Das hat nicht nur auf der Ebene der Zusammenarbeit und des Miteinanders einen positiven Einfluss. Es führt auch im Menschen selbst zu mehr Vertrauen, Integrität, Glaubwürdigkeit sowie zu mehr Nähe und tiefe Begegnungen mit anderen.
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