In Konflikten sind es häufig die Emotionen, die ein Gespräch, eine Situation, eine Auseinandersetzung aus dem Ruder laufen lassen. Entsprechende Signale nehmen wir über den Körper wahr: zittrige Stimme, ein Kloß im Hals, kalte Hände, erstarrte Mimik, Druck im Bauch, die Tränen laufen. Der Prozess läuft automatisch ab. Unsere Reaktion erfolgt prompt, scheinbar ohne eine Pause zwischen Reiz und Reaktion: Wir greifen unser Gegenüber an, formulieren Vorwürfe oder ziehen uns zurück, werden stumm, hegen im Groll stille Erwartungen und sind manchmal Tage danach noch angespannt, wenn wir an die Situation denken.
Was da mit uns durchgeht, sind unserer Emotionen. Aktiviert durch alte Erfahrungen aus der Vergangenheit kann es sein, dass Gefühle uns überfluten und wir auf eine Weise reagieren, die in der aktuellen Situation überzogen ist und die uns später leidtut. Wir sind kaum in der Lage zuzuhören, klar zu denken oder einvernehmliche Lösungen zu kreieren. In dem Moment fehlt uns die Fähigkeit, unsere eigenen Gefühle und Emotionen zu regulieren und angemessen auf die Situation sowie die des anderen zu reagieren.
Das können wir ändern, indem wir unsere emotionale Kompetenz stärken.
Es geht darum, sich selbst und andere besser zu verstehen: Die eigenen Gefühle und emotionale Reaktionen zu erkennen und mit ihnen umgehen zu können und eine tiefere Verbindung zu sich und zu anderen Menschen aufzubauen.
Aus welchen Aspekten setzt sich diese Fähigkeit zusammen? Wofür ist es gut, seine emotionale Kompetenz zu stärken? In diesem Blogbeitrag schreibe ich darüber, was emotionale Kompetenz ist, aus welchen Aspekten sie sich zusammensetzt und grenze die Begrifflichkeit ein. Außerdem nenne ich Gründe, warum die Entwicklung von emotionaler Kompetenz einen positiven Einfluss auf dein Leben haben kann.
Ich + Du + Wir – Emotionale Kompetenz folgt einem umfassenden Konzept
Emotionale Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, eigene Gefühle und Emotionen sowie die der anderen Menschen in verschiedenen Situationen zu erkennen, zu verstehen, zu regulieren und konstruktiv zu nutzen.
Es geht um Dich selbst, Dein Gegenüber und um das Wir.
Emotionale Kompetenz umfasst verschiedene Schlüsselelemente
- Wahrnehmen, Verstehen, Annehmen der eigenen Gefühle und Emotionen
- Selbstregulierung, um Emotionen zu steuern, zu verarbeiten und einen ausbalancierten sowie kontextbezogenen Umgang zu finden
- Ausdruck der Gefühle auf der Ebene der Kommunikation, um Bedürfnisse in Handlungen umzusetzen, Dialog zu fördern und einvernehmliche Lösungen zu kreieren
- Empathie, um auf Gefühle und Emotionen anderer Menschen mitfühlend zu reagieren
- Innerer Antrieb, Gefühle als Motivation zu nutzen, um insgesamt ein ausgewogenes und erfülltes Leben zu führen, mit sich und anderen
Differenzierung der Begrifflichkeit
Es gibt eine Reihe von ähnlichen Konzepten, die manchmal synonym verwendet werden, die sich jedoch auf andere Aspekte der zwischenmenschlichen Interaktion beziehen. In Literatur und Forschung variieren die Begriffe und es gibt oft keine allgemeingültige Definition oder Abgrenzung zwischen den Konzepten. Ich möchte ein wenig mehr Klarheit in das Thema bringen und ergänze meine langjährige Erfahrung mit einigen Rechercheergebnissen, ohne dabei den Anspruch einer wissenschaftlichen Definition zu stellen.
Emotionale Kompetenz – Emotionale Intelligenz
Kompetenz ist etwas anderes als Intelligenz.
Intelligenz biologisch festgelegt?
Intelligenz wird durch die Gene beeinflusst, darin scheinen sich die Forscher*innen einig zu sein. Außerdem ist die Intelligenz eines Menschen mithilfe des Intelligenz-Quotienten (IQ) messbar.
Den Begriff Emotionale Intelligenz (EQ) prägte der Psychologe Daniel Golemann (und vor ihm bereits andere Forscher) mit seinem Bestseller „EQ. Emotionale Intelligenz“. Er verwendete ihn im Kontext von Führung und beruflichem Erfolg. Er betont in seiner Auffassung fünf qualitativ ermittelbare Merkmale: Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung, Motivation, Empathie und soziale Fähigkeiten. Das Konzept erweckt mit der Begrifflichkeit EQ und „Erfolg“ den Anschein von wissenschaftlicher Messbarkeit.
Kompetenz lässt sich entwickeln
Der Begriff der Kompetenz kommt aus der Bildungsforschung und verbindet Wissen und Können, um Situationen und Anforderungen zu bewältigen, Lösungen zu finden und ins Handeln zu kommen.
In meiner Arbeit verwende ich den Begriff der Kompetenz, weil er die persönliche, soziale und methodische Ebene einbezieht. Es sind Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrungen, Werte und Wissen, welche sich jederzeit mit Übung, Training und Anleitung entwickeln lassen.
Unterscheidung von Gefühlen und Emotionen
Gefühle und Emotionen werden in der Literatur und in der Forschung sowie umgangssprachlich teils synonym verwendet. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit diesen Themen und unterscheide Gefühle von Emotionen.
Gefühle sind Botschafter für unsere Bedürfnisse
Gefühle sind (unbewusste) Signale im Körper, die unvermittelt und spontan zeigen, was gerade jetzt in mir vorgeht, was ich mag und nicht mag. Sie sind damit wertvolle Hinweise zu unseren Bedürfnissen und Werten. Gefühle haben wir ständig und jedes Erleben von Geburt an ist verbunden mit Gefühlen. Sie helfen uns im Alltag, dass wir uns orientieren, Situationen bewerten und Entscheidungen treffen. Als reine Energie kommen und gehen sie, wenn wir nicht an ihnen anhaften. Das dauert in der Regel neunzig Sekunden. Dauert es sehr viele länger, können wir in uns forschen, woran uns die Situation erinnert. Vermutlich handelt es sich um eine Emotion aus der Vergangenheit.
Emotionen sind unterdrückte Gefühle aus der Vergangenheit
Unterdrückte Gefühle sammelt sich im emotionalen Erfahrungsgedächtnis. Sie sind komplex und gehen einher mit körperlichen Reaktionen und Bewertungen. Wir verknüpfen das aktuell Erlebte mit alten (Schmerz)-erfahrungen und reagieren auf einer unbewussten Ebene mit destruktiven Verhaltensmustern auf längst Vergangenes. Gefühle, die wir nicht ausdrücken oder seit vielen Jahren vermeiden, speichert der Körper in Form von Spannung. Mit den Jahren führt das zu immer mehr Stress für Körper, Geist und Seele.
Wenn ich von emotionaler Kompetenz spreche, dann ist mir insbesondere wichtig, die Gefühle hinter den Emotionen wieder ins Fließen zu bringen. Das Wahrnehmen, Verstehen und Anerkennen der eigenen Gefühle ist wichtig, doch meine emotionale Reaktion kann mir immer wieder einen Strich durch meine guten Absichten machen. Es fällt uns genau in den Situationen schwer, die eigenen Gefühle zu regulieren, wenn wir emotional aktiviert sind – durch äußere oder innere Reize. Die Reaktionen laufen schnell und automatisiert ab. Die Fähigkeit zur Selbstregulation erfordert Mut, Übung und manchmal wohlwollende Begleitung. Somit ist der Begriff Emotionale Kompetenz für mich tiefgreifend und bezieht ähnliche Konzepte mit ein.
Gründe für mehr emotionale Kompetenz
Emotionale Kompetenz stärkt gelingende zwischenmenschliche Beziehungen, verbessert die Kommunikation und Konfliktfähigkeit, lässt uns Stress im Alltag besser bewältigen und fördert insgesamt ein ausgewogenes sowie erfülltes Leben.
Wir benötigen im Leben die ganze Vielfalt, Bandbreite und Intensität an Gefühlen. Es ist wichtig, sie als Signalgeber wahrzunehmen. Es sind Botschafter für unsere Werte, Bedürfnisse, Wünsche. Gefühle machen uns lebendig, bringen uns einander näher, stärken unsere Herzenswärme und lassen uns kraftvoll ins Handeln kommen.
Gefühle gehören zum Leben. Die Würdigung unserer Gefühle führt zu einem tieferen Verständnis und eine präsente Wahrnehmung zu mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit uns selbst und anderen Menschen.
Die Fähigkeit der Selbstregulation hilft uns nicht nur, in der Situation ruhig zu bleiben, sondern führt langfristig dazu, dass wir unsere Resilienz steigern.
Mehr Empathie uns selbst und anderen Menschen gegenüber fördert klare Kommunikation, stärkt das Vertrauen und unser emotionales Wohlbefinden.
Emotionale Kompetenz trägt dazu bei, dass sich unsere persönlichen Bindungen vertiefen, dass sich berufliche Erfolge einstellen und insgesamt die Lebenszufriedenheit steigt.
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